Kosmetika aus Urnäsch ermöglichen in Ecuador Hilfe zur Selbsthilfe

St. Gallen, 20.9.17 (kath.ch) Der Schweizer Bertram Wick ist Bischof in Ecuador und Gründer einer Kosmetiklinie. Im Interview mit kath.ch erzählt er, wie er damit Menschen in Ecuador unterstützen kann. Die Produkte werden nach Schweizer Rezeptur in Urnäsch AR hergestellt, die Rohstoffe stammen aus Ecuador. Wick ist derzeit auf Heimaturlaub in der Schweiz.

Evelyne Graf

Bertram Wick, Sie sind Bischof der Diözese Santo Domingo in Ecuador. Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgabe?

Bischof Bertram Wick: Nach dem Vorbild Jesu Hirte sein: die Priester zu begleiten, die Einheit unter allen im Bistum zu fördern, Orientierung zu geben, das Evangelium immer neu zu leben und zu verkünden… Dazu gehört, die Not der Ärmsten zu lindern.

Mit welchen Problemen sind Sie konfrontiert?

Wick: Leider fehlt es an Priestern, manche sind müde, überarbeitet, überfordert…Einige sind sogar straffällig geworden wegen Drogengeschäften, Pädophilie. Eine grosse Herausforderung ist auch die Ausbildung der Laien zu Katechetinnen und Katecheten sowie anderen kirchlichen Diensten. Zudem haben wir in der Gesellschaft ein grosses Drogenproblem, oft sind schon Kinder im Schulalter drogenabhängig. Katholische Schulen gibt es leider nur wenige, da bräuchten wir mehr finanzielle Mittel.

Wie können Sie Abhilfe schaffen?

Wick: Ich besuche die Priester in den Pfarreien, um mit ihnen ihr Leben zu teilen. Ich rufe sie auch zu gemeinsamen Treffen zusammen, um die pastorale Situation mit ihnen zu analysieren, biete Weiterbildungen an und vertiefe mit ihnen den Glauben im gemeinsamen Feiern. Viele Fragen hängen mit finanziellen Schwierigkeiten zusammen. Da versuchen wir immer wieder, Mittel zu finden.

Im April 2016 hat ein schweres Erdbeben Ecuador heimgesucht. Was konnten Sie für die Opfer tun?

Wick: Zahlreiche Wohnhäuser und andere Gebäude, darunter eine Kirche, waren ganz oder teilweise eingestürzt. Ich besuchte die Orte sofort, um mir ein Bild des Schadens zu machen und die Menschen zu trösten. Es gab Verletzte, eine junge Mutter hatte ihren Arm verloren, doch ist niemand ums Leben gekommen. Inzwischen haben wir der Frau eine Prothese beschaffen können. Dank der spektakulären Hilfsbereitschaft aus der Schweiz, Deutschland, Italien und auch aus Ecuador konnten wir in wenigen Monaten über 300 Häuschen verschenken: 25 Quadratmeter gross, mit Holzböden, Bambuswänden und Blechdach. Diese Häuschen waren als Zwischenlösung gedacht, inzwischen hilft die Regierung mit dem Wiederaufbau von Häusern.

2003 haben Sie die Kosmetiklinie «Colonche Line»  gegründet mit dem Zweck, Arbeit nach Ecuador zu bringen und den Gewinn in soziale Projekte zu investieren. Wie läuft die Initiative heute?

Wick: Die Aloe Vera-Produkte, die in Colonche, Ecuador, hergestellt werden, finden in der Schweiz guten Absatz. Bisher hat «Colonche Line» über eine Million Dollar nach Ecuador gebracht. Doch damit das Projekt, das seit 14 Jahren «Hilfe zur Selbsthilfe» ermöglicht, weiterbestehen kann, sind wir dringend darauf angewiesen, unsere bisherigen Verkaufsmengen steigern zu können, damit eine kostengünstige Produktion erreicht werden kann. «Colonche Line» soll ein erfolgreiches Hilfsprojekt bleiben und wachsen. Familien in Ecuador erhalten durch den Anbau von Aloe Vera ein faires Einkommen. Zusätzlich fliesst ein Teil des Gewinns in regionale Entwicklungsprojekte in Ecuador. Seit 1. September werden die Produkte von «Colonche Line» nach Schweizer Rezeptur in Urnäsch AR hergestellt und abgefüllt. Wir haben das Angebot auf acht Produkte reduziert, die Rezepturen optimiert und die Verpackungen mit neuem, modernem Design ausgestattet. So haben wir «Colonche Line» neu lanciert. Aber: Fairer Handel bleibt eine Herausforderung!

Welches sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Wick: Ich träume von mindestens einer «Fazenda da Esperança» für die Rekuperation von Drogenabhängigen, wie es sie in Brasilien und anderen Ländern, beispielsweise in Wattwil SG, gibt. Sie sind ein wichtiges Zeichen der Hoffnung. Zudem möchte ich versuchen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, denn Arbeitslosigkeit ist das Problem Nummer eins in Ecuador. Ich habe «Abacas», eine Pflanzenfaser, in die Schweiz mitgebracht, um zu sehen, ob man daraus etwas Wertvolles wie Kleider herstellen könnte, statt diesen Rohstoff nur zu exportieren. Diese Pflanzenfaser ist ausgesprochen reissfest und dient für Teebeutel, Textilien, Filter, auch als Verstärkung in Geldnoten…

Woher nehmen Sie die Kraft für Ihr Engagement?

Wick: Aus der Beziehung zu Gott, aus der täglichen Eucharistie, aus dem Stundengebet – und aus den vielen guten Beziehungen, besonders auch zum alten Kontinent: Das Mitleben und die grosse Hilfsbereitschaft der Menschen geben mir sehr viel Kraft und Zuversicht.

 

 

 

 

 

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