Ein guter Ort, um Abstand vom Lärm der Welt zu nehmen

Rapperswil SG, 5.9.17 (kath.ch) Das Kapuzinerkloster in Rapperswil  feierte am Sonntag ein Jubiläum: Seit 25 Jahren nimmt die Gemeinschaft Gäste auf, die für eine oder mehrere Wochen im Kloster mitleben können. Ein Angebot, das rege genutzt wird und den Zeitgeist trifft.

Vera Rüttimann

Das Kapuzinerkloster von Rapperswil liegt wie eine Festung am Zürichsee. Schon mancher Gast, der vor der dunklen Front des Klosterzuganges mit dem Gekreuzigten auf verwitterter Stadtmauer stand, fragte sich, ob er hier richtig ist. Doch Hunderte schon traten in den vergangen 25 Jahren durch das grosse Klostertor ein und lebten bei den Kapuzinern eine oder gar mehrere Wochen mit ihnen mit.

Nicht wenige davon feiern am 3. September mit der Gemeinschaft das 25-jährige Bestehen eines Projektes, dessen Fundament aus der guten Vernetzung mit der Stadt und der Bevölkerung, einer zeitgemässen und kreativen Form des Betens und Feierns und der Gastfreundschaft besteht.

Bewegte Klostergeschichte

Nach dem Gottesdienst versammeln sich die Gäste im Innern der Klosteranlage. Vor dem grossen Tor begrüsst Adrian Müller, Guardian des Klosters Rapperswil, jeden einzelnen per Handschlag. Die meisten der Gäste hier wissen: Das Kapuzinerkloster liegt schon seit 1602 hier am Fusse des Schlosshügels.

Reformierte Bauern wollten das Kloster nicht am Marktplatz haben.

Diese Lage ausserhalb der Stadtmauern ist typisch für viele Kapuzinerklöster, die die Nähe zu den Menschen suchten und  zugleich eine gewisse Distanz zum öffentlichen Leben wahren wollten. Da vor 400 Jahren reformierte Bauern das Kloster nicht am Marktplatz haben wollten, wurde es schliesslich direkt am See gebaut. – Heute eine unbezahlbare Lage.

Adrian Müller hat sein Herz schon früh an diesen idyllischen Ort am Zürichsee verloren. Vor einigen Jahren, wissen eingeweihte Gäste, schnorchelte er gar mal auf den Grund des Sees vor dem Kloster und holte neben Schnecken einen Pfluganker aus dem Wasser. Er wurde für den Kapuziner zu seinem persönlichen religiösen Symbol. Ein Mitbruder des Guardians, Karl Flury, weiss: «Es ziert heute sogar sein Pult.»

Ringen um die Ausrichtung

Die acht Kapuzinerbrüder und drei Menzingerschwestern nehmen in Rapperswil pro Jahr rund 200 Gäste auf. Rund 15 Prozent kommen aus dem Ausland. Viele Stammgäste sitzen an diesem Sonntag gemütlich bei Wein, Kürbissuppe und frisch gebackenem Brot auf der Veranda und tauschen Erinnerungen aus.

Anfänglich sollte ein Jugendkloster entstehen.

Lange wurde um das Selbstverständnis dieses Ortes gerungen. «Anfänglich wollten einige der Brüder aus diesem Ort ein Jugendkloster machen. Andere sträubten sich gegen die Aufnahme von auswärtigen Gästen oder gar Frauen», erinnert sich ein Gast am Tisch.

Die 14-köpfige Gemeinschaft hatte damals einen Altersdurchschnitt von etwa 78 Jahren. Neue Gebetsformen erproben, das Entwickeln neuer Formen franziskanischer Präsenz  und die Aufnahme von Gästen: Was heute als inhaltlicher Dreiklang so selbstverständlich daher kommt, ist das Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses.

In Ruhe innerlich aufräumen

Für Reporter sind die Menschen, die hier bewusst Ruhe suchen und mit den Mönchen an diesem fotogenen Ort mitleben wollen, gefragte Gesprächspartner. Sie wollen wissen: Warum klinkt  sich einer aus seinem Alltag aus? Und: Was treibt sie, an allen Gebetszeiten der Mönche teilzunehmen und sich freiwillig Dingen wie Putzen, Kochen und Gartenarbeit zu widmen?

Doch viele Leute am Tisch winken ab, wenn sie nach ihren Motiven gefragt werden, was sie hierher zog und noch immer zieht. Manche, weiss Paul Meier, der Kapuziner, der seit 14 Jahren unter anderem für die Gästebetreuung verantwortlich, ist, kommen aus psychischen Stresssituationen hierher.

Er sagt: «Ich komme mit Leuten ins Gespräch, die gerade ihren Job verloren haben, an Beziehungskrisen leiden oder vor einer grösseren Operation stehen.» Darunter seien jedoch auch Menschen, die sich schlicht eine Woche Auszeit gönnen und in Ruhe hier innerlich aufräumen und sich erholen wollen. Der Kapuziner weiss: «Viele Gäste lassen ihr Handy und Computer bewusst zu Hause oder schalten in dieser Zeit einfach seltener den Fernseher an.»

Ich schätze es, einmal richtig runterfahren zu können.

Solch ein digitaler Fastender ist auch Beat Eicken, der sich am Tisch zu Meier gesellt. Der Mathematiker aus Bülach, der zu 60 Prozent an einer Zürcher Kantonsschule unterrichtet und zu 40 Prozent Lehrmittel verfasst, ist seit sechs Jahren immer im Sommer hier im Kloster zu Gast. Beat Eicken über seine Motivation: «Mein Beruf ist sehr kopflastig. Deshalb schätze ich es, einmal richtig runterfahren zu können und in eine andere, ruhigere Welt einzutauchen. Das ist genial.»

Er ist immer wieder erstaunt über die Offenheit, in der die Gespräch hier geführt werden. Er vermutet: «Es ist wohl das Ambiente des Klosters, das dies ermöglicht, das gegenseitige Vertrauen und vielleicht auch die Gewissheit, dass man sich nach einer Woche Auszeit hier nicht mehr wieder sieht.»

Lebensfarben in die Gemeinschaft bringen

Paul Meier schätzt dieses Kommen und Gehen. Er sagt: «Hier treffe ich immer wieder auf neue Menschen, die ihre Lebensfarben einbringen.» Auch an die Brüder, die nicht mehr hier weilen, wird an diesem Tag erinnert. So werden am Tisch auch ältere Fotos herumgereicht. Einige zeigen den über 90-jährigen Bruder Josef Hangartner. Bruder Josef gehörte seit 2001 zum Stadtbild von Rapperswil, bis er das Kloster wieder verliess, um weiterzuziehen. «Bei jeder Witterung sah man den hageren Kapuziner zweimal täglich entlang der Hafenpromenade und am  Fischmarktplatz vorbei gehen», erzählt ein Gast.

Am Nachmittag suchen viele Gäste im Klostergarten das Gespräch untereinander. Auf dem weitläufigen und verwinkelten Gelände finden sich immer wieder Bänke zum Verweilen, die von südländisch anmutenden Bäumen und Sträuchern umrankt sind. Für viele ist dieser Ort eine Art Garten Eden.

Für viele ist dieser Ort eine Art Garten Eden.

Unweit von hier und  umrandet von türkisblauem Wasser befindet sich auch die Insel Lützelau, wo sich im 8. Jahrhundert das älteste Frauenkloster der Schweiz befand. Gleich dahinter liegt die Ufenau, die grösste Insel der Schweiz. Begeistert erzählen die Brüder von ihren Ausflügen  an diese Orte.

Weil sich wohl kein anderes Kloster in der Schweiz derart weit öffnet, treffen sich bei Kaffee und Kuchen an diesem Tag die unterschiedlichsten Personen zu Gesprächen unter den Bäumen. Neben Gästen, die sich von Exerzitien, Meditationswochen oder Tanzkursen kennen, die das Kapuzinerkloster veranstaltet, mischen sich auch etliche neugierige Bewohner aus der Stadt darunter.

Der Kapuziner Hans Portmann sagt: «Ich staune selbst, wie viele Menschen uns heute aufsuchen.» – Die Klostermauern atmen einmal mehr viele Geschichten ein.

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