Mit Michel Bollag durch das jüdische Zürich

Zürich, 30.8.17 (kath.ch) Zu den erfolgreichsten Veranstaltungen des Zürcher Instituts für interreligiösen Dialog (ZIID) gehört der Rundgang durch das jüdische Zürich. Michel Bollag, Jude und Exponent im interreligiösen Dialog, ist einer von zwei Führern auf der «Jewish Mile», auf der die Teilnehmer zu Synagogen, Lebensmittelgeschäften und Schulen mitgenommen werden. Einige Stationen haben auch eine Bedeutung im Leben von Michel Bollag.

Barbara Ludwig

Seit zehn Jahren bietet das «Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID)» einen Rundgang durch das jüdische Zürich an. Heute läuft das Angebot unter dem Titel «The Jewish Mile. Jüdischer Alltag in Zürich». Ist der Rundgang im Programm des ZIID aufgeführt, wird er zusammen von Michel Bollag und Ralph Weingarten durchgeführt. Wird er auf Anfrage durchgeführt, kann es vorkommen, dass ihn Bollag alleine bestreitet.  Laut dem ehemaligen Fachleiter Judentum beim ZIID gehört «The Jewish Mile» zu den erfolgreichsten Veranstaltungen des Zentrums.

Orte des Gebets

Zu einzelnen Stationen hat Bollag einen persönlichen Bezug, wie er kath.ch anvertraut. Zum einen gibt es da die Orte, die der Jude selber zum Gebet aufsucht: Zum Beispiel die 1884 erbaute Synagoge der Israelitischen Cultusgemeinde (ICZ) an der Löwenstrasse.

Diese Synagoge spielt zudem eine besondere Rolle im Curriculum von Bollag. Während 25 Jahren arbeitete er für die ICZ, 10 Jahre davon als Rabbinatsassistent. Der in Genf aufgewachsene Bollag betet auch im Minjan Wollishofen, in dessen Nähe er zuhause ist. Das ist eine etwas versteckt gelegene, unscheinbare Synagoge, vergleicht man sie mit dem stattlichen Gebäude an der Löwenstrasse, das im maurischen Stil erbaut wurde und stark an einen Kirchenbau erinnert.

Einst Mitglied einer streng orthodoxen Gemeinde

Ein weiterer Bezugspunkt ist das orthodoxe Milieu, das Bollag auf den Rundgängen «differenziert» und mit seinen «Sonnen- und Schattenseiten» darstellen will, wie er gegenüber kath.ch sagt. In seinen ersten Jahren an der Limmatstadt war der Sohn eines Schweizer Juden und einer deutschen Jüdin selbst Mitglied in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Zürich, einer von zwei streng orthodoxen Gemeinden. Er habe sich aber nie jüdisch-orthodox gekleidet oder Schläfenlocken getragen, sondern seine Zugehörigkeit zum Judentum äusserlich stets nur mit dem Tragen der Kippa zum Ausdruck gebracht, sagt Bollag.

Heute leben laut Bollag in Zürich-Wiedikon und in Zürich-Enge insgesamt schätzungsweise über 2000 orthodoxe, teils vom Chassidismus geprägte Juden. So viele wie noch nie. Auf einem Rundgang Ende April und im Gespräch mit Bollag wurde deutlich, dass er das ultraorthodoxe Judentum kritisch betrachtet. So spricht er von einer «Uniformierung» als einem Phänomen, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr verstärkt habe, und deutet diese Strömung innerhalb des Judentums als Zeichen für eine Ideologie, die eine «Abschottung von der Moderne» anstrebt.

Mitten im Zentrum des orthodoxen Zürich, an der Bus- und Tramhaltestelle Schmiede-Wiedikon unweit der orthodoxen Synagoge Agudas Achim, muss Bollag einräumen, dass auch er als Jude kaum Zugang zu diesem Milieu habe.

Koschere Bagels

Dann gibt es aber auch die Orte, die Bollag dann und wann für eine Mahlzeit aufsucht, weil er sie im Zusammenhang mit Durchführung der «Jewish Mile» näher kennenlernte. So etwa den «Bagel Shop» an der Bederstrasse. Dort durften sich die Teilnehmer zum Abschluss des Rundgangs vom 26. April mit einem heissen Getränk aufwärmen und mit Thunfisch, Lachs, Käse oder Ei gefüllte Bagels essen. Natürlich koscher. Auf dem Rundgang kommt eben auch das Thema «Ernährung» zur Sprache.

Hinweis: Die Rundgänge durch das jüdische Zürich finden zwei Mal jährlich statt, jeweils im Frühsommer und im Herbst. Der nächste Rundgang wird am 13. September durchgeführt. Nach Angaben des ZIID ist er bereits ausgebucht.


 

Jüdischer Grenzgänger mit Ausdauer

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