«Es ist wichtig, dass der Konflikt im Jemen nicht vergessen geht»

Zürich/Abu Dhabi, 29.7.17 (kath.ch) Der Schweizer Kapuziner Paul Hinder ist Bischof in Arabien. Zu seinem Bistum gehört auch der Jemen, wo derzeit eine Cholera-Epidemie herrscht, als Folge eines  seit über zwei Jahren andauernden Bürgerkriegs. Im Interview mit kath.ch schildert Hinder seine Not, von den Gläubigen im Jemen abgeschnitten zu sein. Im Gebet bleibt er ihnen dennoch verbunden.

Sylvia Stam

Haben Sie zuverlässige Informationen über die Situation im Jemen?

Paul Hinder: Zuverlässige Information aus Jemen zu bekommen, ist schwierig und delikat. Erstens gibt es kaum jemanden, der die Übersicht über das Geschehen im ganzen Land hat. Unabhängige und freie Berichterstattung ist rar. Diejenigen, die am Telefon kurze Beobachtungen mitteilen, hüten sich, sich zu exponieren. Aufgrund meiner Informationen kann ich aber das Bild, das Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), in der NZZ vom 29. Juli zeichnet, nur bestätigen.

Können Sie dennoch sagen, wie es den Menschen im Jemen gesundheitlich geht?

Hinder: Das Gesundheitssystem ist kriegsbedingt weitgehend zusammengebrochen. Zudem ist die Ernährungssituation in vielen Teilen des Landes prekär. Der Ausbreitung der Cholera sind unter diesen Bedingungen kaum Grenzen gesetzt. Organisationen wie das IKRK und «Médecins sans frontières» (Ärzte ohne Grenzen) tun ihr Möglichstes unter schwierigen Bedingungen.

Können Sie in den Jemen reisen?

Hinder: Ich kann im Moment nicht in den Jemen reisen. Erstens ist es rein technisch schwierig, ins Land zu gelangen. Zweitens möchte ich weder der Kirche noch dem zuständigen Schweizer Botschafter eine mögliche Entführung zumuten.

Wie ist das für Sie, von einem Teil der Gläubigen Ihrer Diözese abgeschnitten zu sein?

Hinder: Natürlich ist es hart, meine Kontakte nur über das Telefon aufrecht zu erhalten. Ich muss zudem mit dem Gefühl fertig werden, in relativer Sicherheit zu leben, während meine Schwestern und Brüder dem Bürgerkrieg ausgeliefert sind.

Hat die Kirche Möglichkeiten, die Menschen in gesundheitlichen Fragen zu unterstützen, zum Beispiel finanziell?

Hinder: Institutionell gesehen, ist die Kirche im Moment nicht in der Lage, substantiell vor Ort aktiv zu werden. Die einzige Möglichkeit sehe ich über die «Schwestern von Mutter Teresa» (Missionarinnen der Nächstenliebe), die nach wie vor in Sana’a und Hodeidah tätig sind. Es ist möglich, ihnen gelegentlich Hilfe zukommen zu lassen.

Was können Sie als Bischof denn konkret für Ihre Gläubigen im Jemen tun?

Hinder: Sofern zuverlässige Kuriere verfügbar sind, ist es möglich, in bescheidenem Rahmen Not leidenden Gläubigen Unterstützung zukommen zu lassen. Ebenso wichtig ist natürlich die Solidarität im Gebet. Ich achte im Vikariat darauf, dass der Konflikt im Jemen nicht vergessen geht, und wenigstens im Gottesdienst und im persönlichen Gebet mit unseren Schwestern und Brüdern im Jemen verbunden bleiben.

Was können Menschen in der Schweiz für die Not leidenden Menschen im Jemen tun?

Hinder: Das Gleiche würde ich auch den Menschen in der Schweiz sagen. Zudem ist es durchaus möglich, über das Rote Kreuz oder «Médecins sans frontières» auch materiell zur Linderung der Not beizutragen. Politisch gesehen ist es wichtig, dass der Krieg im Jemen nicht durch Lieferung von strategischem Material aus der Schweiz verlängert wird.

Der Kapuziner Paul Hinder (75) ist seit 2004 in der Kirchenleitung in Arabien tätig. Mit dem Titel eines Apostolischen Vikars ist er seit einer Gebietsteilung 2011 für die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman und Jemen zuständig (Vikariat Südliches Arabien). Katar, Bahrain und Saudi-Arabien wurden 2011 dem nördlichen Arabien zugeteilt. Seine Erfahrungen als Bischof schildert Hinder in seinem 2016 erschienenen Buch «Als Bischof in Arabien».


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