547 Regensburger Domspatzen wurden Opfer von Übergriffen

Regensburg, 18.7.17 (kath.ch) 547 Regensburger Domspatzen sind seit 1945 «mit hoher Plausibilität» Opfer von Übergriffen geworden. 69 Domspatzen sind sexuell missbraucht worden. Das geht aus dem am Dienstag nach zwei Jahren Aufklärung veröffentlichten Abschlussbericht des Regensburger Rechtsanwalts Ulrich Weber hervor. Einschliesslich der Dunkelziffer könnte die Gesamtzahl der Opfer bei 700 liegen.

Als Täter ermittelte der vom Bistum Regensburg beauftragte unabhängige Sonderermittler 49 Personen. Sein 440 Seiten starker Bericht wurde im Internet veröffentlicht. Mehrere Opfervertreter äusserten sich anerkennend zu Webers Arbeit.

Bis 1992 körperliche Gewalt

Betroffen sind demnach alle Institutionen der Domspatzen, also Schulen, Internate und die Musikerziehung. Unter den Tätern seien Internatsdirektoren, ein Vorschuldirektor, Präfekten und viele Angestellte. Schwerpunktmässig hätten sich die Taten in den 1960er und 1970er Jahren ereignet. Bis 1992 wurde durchgängig von körperlicher Gewalt berichtet. Alle beschriebenen Übergriffe seien zu ihrer Zeit «mit wenigen Ausnahmen verboten und strafbar» gewesen, heisst es.

Webers Bericht befasst sich auch kritisch mit der Aufarbeitung der Vorfälle durch das Bistum Regensburg sowie mit der Rolle des früheren Domkapellmeisters und Bruders von Benedikt XVI., Georg Ratzinger (93). Dieser habe «weggeschaut» und «trotz Kenntnis» nichts gegen Gewalt unternommen. Es gebe jedoch keine Erkenntnisse, dass Ratzinger auch von sexueller Gewalt gewusst habe.

Rolle des heutigen Kardinals Gerhard Ludwig Müller untersucht

Zum früheren Regensburger Bischof und heutigen Kardinal Gerhard Ludwig Müller hält Webers Bericht fest, dass er 2010 den Aufarbeitungsprozess initiierte. Müller trage jedoch die Verantwortung für «strategische, organisatorische und kommunikative Schwächen». Diese seien erst später unter seinem Nachfolger Rudolf Voderholzer behoben worden, vor allem durch die Beauftragung einer unabhängigen Instanz zur Aufklärung und die Einbindung von Opfern in die Aufarbeitung.

In einer gesonderten Pressekonferenz räumte der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs Versäumnisse ein. «Wir haben alle Fehler gemacht, viel gelernt und sehen heute, dass wir früher manches hätten besser machen können», sagte er. Dies sehe auch Kardinal Müller heute so. Den Medien attestierte Fuchs einen «wichtigen Anteil» an der Aufklärung. Insbesondere durch die «gute Begleitung» der in den vergangenen zwei Jahren eingeleiteten Schritte sei das «Glaubwürdigkeitsproblem» des Bistums überwunden worden.

Opfer können finanzielle Entschädigung beantragen

Auf der Grundlage des Berichts wird nun über Anerkennungszahlungen in Höhe von 5000 bis 20’000 Euro pro Person entschieden. Nach Auskunft von Beteiligten liegen dazu bisher 300 Anträge vor. Es wird mit einer Gesamtzahlung von bis zu 3 Millionen Euro gerechnet.

Der amtierende Domkapellmeister Roland Büchner bezeichnete die Vorfälle als Vergangenheit. Auch er müsse darauf achten, dass die Qualität des Chores stimme, «aber nicht um jeden Preis», sagte er. Heute gingen die Domspatzen singend aus der Probe «und nicht heulend oder traurig». (kna)


Vertreter des Bistums Regensburg äussern sich zu dem Abschlussbericht von Ulrich Weber:

Regensburger Bistum zum Missbrauch bei den Domspatzen

Der Abschlussbericht zu den Missbrauchsfällen bei den Regensburger Domspatzen wurde vorgestellt. Danach äußerten sich auch Vertreter des Bistums Regensburg.Mehr zum Thema: http://br.de/s/2wNA3mr

Gepostet von BR24 am Dienstag, 18. Juli 2017

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https://www.kath.ch/newsd/547-regensburger-domspatzen-wurden-opfer-von-uebergriffen/