«Ich hoffe, ehemalige Haustiere dereinst im Himmel wiederzusehen»

Engelberg OW, 10.7.17 (kath.ch) Christian Meyer, Abt des Benediktinerklosters Engelberg, hat vier Papageien. Im kath.ch-Interview erzählt er von ihren Eigenheiten, ihrer Feinfühligkeit und ihrer Eifersucht. Er verhehlt auch nicht, dass er bisweilen mit ihnen schimpfen muss. Ein Beitrag der Sommerserie «tierisch heilig».

Sylvia Stam

Abt Christian Meyer, wie kommen Sie zu vier Amazonas-Papageien?

Christian Meyer: In meiner Familie hatten wir immer Haustiere: Wellensittiche, Schildkröten, einen Zwerghasen, eine Katze. Als ich ins Kloster eintrat, wusste ich, dass es hier keine Haustiere geben würde.   Eine Katechetin und mein damaliger Pastoralassistent wussten, dass ich Vögel sehr gern habe. Also haben sie heimlich den damaligen Abt gefragt, ob sie mir nicht einen Papagei zum Geburtstag schenken dürften. Der Abt erlaubte das, zumal ich damals im Pfarramt war und dieses ausserhalb der Klausur, also des geschlossenen Klosterbereichs, lag.

Wie kamen die anderen drei dazu?

Meyer: Ich habe einen zweiten erworben, damit es ein Paar ergibt. Später bekam ich ein zweites Paar geschenkt, weil der Besitzer eine Feinstauballergie bekam. Es war ein Abenteuer, zwei Paare zusammen zu führen. Junge gibt es jedoch nicht. Ich verhindere das, indem ich keine Nistkästen in die Volière stelle.

Leben Papageien als Paare?

Meyer: Papageien leben im Freien als Paare in einem Schwarm. Sie wählen sich ihre Partner aus und bleiben ein Leben lang zusammen. Meine Papageien leben in einer Volière in meinem Büro. Wenn ich längere Zeit am Stück im Büro bin, dürfen sie den Käfig verlassen und den ganzen Raum in Beschlag nehmen.

Es war ein Abenteuer, zwei Paare zusammen zu führen.

Warum mögen Sie Vögel besonders?

Meyer: Mir gefällt ihre Farbenvielalt. Schauen Sie nur schon die Amseln an: Die Männchen sind dunkelschwarz, die Weibchen hellbraun mit orangem Schnabel. Dann beeindruckt mich ihre Fähigkeit zu fliegen. Wenn einer meiner Papageien auf mich zufliegt, sieht man, was für eine Kraft und was für ein Können es dazu braucht. Das wird umso deutlicher sichtbar, weil einer von ihnen nicht so flink fliegen kann.

Sie leben in einem Kloster, haben «Stabilitas» (Ortsgebundenheit) gelobt, und sind fasziniert von Vögeln, die fliegen können. Besteht da ein Zusammenhang?

Meyer: «Stabilitas» bedeutet, dass man irgendwo verwurzelt ist. Es heisst nicht, dass man nicht ausfliegt (lacht). Die Klostermauern geben den Wohnbereich an, wir sind deswegen weder abgeschlossen noch verschlossen. In der Stille, die im begrenzten Wohnbereich herrscht, schöpfen wir Kraft, aber der Kontakt nach aussen gehört ebenfalls zu unserem Kloster.

Meine Tiere sind übrigens Kurzschwanz-Papageien, sie fliegen keine langen Strecken. Sie geniessen es zu fliegen, aber sie halten sich auch gern an bestimmten Plätzen auf, sind also durchaus auch «stabil».

Der eine isst lieber scharf, der andere lieber süss.

Haben Sie eine persönliche Beziehung zu den einzelnen Tieren?

Meyer: Ja, sie haben Namen und reagieren auch darauf. Rello und Chicca sind ein Pärchen sowie Giszmo und Cara. Ich kenne jede ihrer Eigenheiten: Der eine isst lieber scharf, der andere lieber süss. Entsprechend gebe ich jedem das, was er gerne isst. Die Älteste, Chicca, habe ich seit 17 Jahren, ich habe sie grossgezogen. Dadurch entsteht wirklich eine Beziehung.

Was für Eigenschaften haben Ihre Papageien?

Meyer: Papageien sind sehr feinfühlige Tiere, sie nehmen sehr viel mehr wahr als wir Menschen. Bei einem Beerdigungsgespräch konnten wir dank den Papageien anders über den Todesfall, der kein einfacher war, sprechen. Auch waren sie dabei viel ruhiger als sonst.

Sie spüren, wenn ich meine Ruhe brauche oder etwas mehr zu verdauen habe. Ausserdem nehmen sie Erdstösse wahr. Wenn es in der Nacht in der Volière wild wird, hat irgendwo die Erde gebebt. Ich brauche dann am Morgen bloss die Nachrichten abzuwarten.

Chica hat einmal meine Nichte angegriffen

Mögen die Papageien bestimmte Menschen mehr oder weniger?

Meyer: Ja, sie haben Sympathien und Antipathien. Sie können auch richtig eifersüchtig werden. Chica hat einmal meine Nichte angegriffen, weil sie gemerkt hat, dass diese Person mir nahesteht. Sie hat sie in die Wange gebissen, als wollte sie zeigen: «Das ist mein Herrchen!»

Können Ihre Papageien sprechen?

Meyer: Sie können in allen Variationen schreien (schmunzelt) und sie können «Hallo» sagen. Ich kann allerdings nicht so viel mit den einzelnen sprechen, weil die anderen dann eifersüchtig werden.

Was sagen Sie zu Ihnen?

Meyer: Wenn ich sie morgens füttere, nenne ich sie beim Namen und sage allen «Guten Morgen». Wenn sie längere Zeit schreien und ich meine Ruhe haben möchte, schimpfe ich auch schon mal mit ihnen. Dann schaue ich jeden einzeln an und sage: «So, jetzt ist Ruhe!» Das wirkt! Manchmal plaudere ich ein wenig mit ihnen oder erzähle ihnen, wenn mich etwas bedrückt. Dann hören die Papageien mir zu.

«So, jetzt ist Ruhe!» Das wirkt!

Kennen Ihre Papageien Sie?

Meyer: Ja, sie wissen, was ich mag und was nicht. Dass ich zum Beispiel kein Geschrei will, wenn ich hereinkomme. Wenn andere Personen mich in meinen Ferien vertreten, herrscht unter den Papageien oft ein grosses Gekreische.

Soll man christliche Nächstenliebe Ihrer Meinung nach auch auf Tiere anwenden?

Meyer: Für mich ist es wichtig, dem Tier Respekt zu zollen, weil es auch ein Geschöpf, also Teil der Schöpfung ist. Man soll mit einem Tier nicht wie mit einer Ware umgehen, sondern als Geschöpf verdient es unsere Achtung. In unserer Konsumgesellschaft werden Tiere jedoch manchmal nur noch abgeschlachtet.

Glauben Sie, dass ein Tier eine Seele hat?

Meyer: Das ist eine schwierige Frage. Die Kirche sagt zwar, ein Tier habe keine Seele. Ich hoffe dennoch, ehemalige Haustiere dereinst im Himmel wiederzusehen.

Das würde bedeuten, dass auch Tiere vom Tod auferstehen.

Meyer: Paulus sagt, die ganze Schöpfung ist in die Auferstehung, in das neue Leben hineingenommen. Bei dieser Frage bin ich selber suchend und tastend unterwegs. Für mich ist vor allem wichtig, dass man Tieren auf Erden mit Achtung begegnet.

Der Mensch steht als Geschöpf auf einer anderen Stufe.

Angenommen, Ihre Papageien werden krank und leiden offensichtlich. Würden Sie sie einschläfern lassen?

Meyer: Ich hoffe nicht, dass das nötig sein wird. Aber wenn einer ein Krebsgeschwür hätte und nur noch leiden müsste, würde ich ihn einschläfern lassen. Dem Tier dieses Leiden zu ersparen, ist auch ein Akt der Achtung. Bei Menschen ist das anders. Der Mensch steht als Geschöpf auf einer anderen Stufe. Der Sterbeprozess gehört meiner Meinung nach zu unserem Leben. Da passiert noch etwas ganz Wichtiges mit dem Betroffenen.

Was geschieht mit Ihren Papageien, wenn diese gestorben sind?

Meyer: Ich werde sie irgendwo im Garten begraben. Ich werde kein Grab oder eine Gedenkstätte errichten, sondern ich gebe sie dem Kreislauf der Natur zurück.


 

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