Westschweizer Katholiken zwischen Frankreich und Ökumene

Lausanne, 2.6.17 (kath.ch) Im «Vater unser» in deutscher Sprache heisst es ganz klar: «Und führe uns nicht in Versuchung.» Dieser Vers sorgt in französischer Sprache für Unruhe. Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) erklärte am Donnerstag, dass im französischen Text das Wort «soumettre» mit der Bedeutung «unterwerfen» durch das Wort «entrer» (»eintreten») ersetzt wird. Die Reformierten in der Westschweiz sind erstaunt.

Pierre Pistoletti

Der neue Text «Et ne nous laisse pas entrer en tentation», der für alle französischsprachigen Länder gültig ist, liegt näher am Original. Die neue Übersetzung, welche in der Schweiz ab Dezember gültig ist, weist auf einen schützenden Gott hin, der die Menschen daran hindert, sündig zu werden. Er hat aber Konsequenzen für die Ökumene.

Die Version «Et ne nous soumets pas à la tentation», welche nun abgelöst wird, wird seit einem halben Jahrhundert in der Westschweiz von den Gläubigen benützt. Sie ist das Resultat eines ökumenischen Kompromisses aus dem Jahr 1966, der in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) geschlossen wurde.

«Vollendete Tatsachen»

Die Beauftragte für Kommunikation des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), Anne Durrer, stellt sich hinter die Aussage, dass der neue Text näher beim Original sei. Sie bedauert aber, dass die Bischofskonferenz die Änderung einseitig umsetzt. «Im Kielwasser der französischen Bischofskonferenz haben die Schweizer Bischöfe beschlossen, die Worte des ‘Vater unser’ zu ändern», sagte Durrer gegenüber cath.ch. Der SEK nehme dies zur Kenntnis und bedauere, «dass er vor vollendete Tatsachen gestellt wurde».

Diese Frustration spiegle sich in den Kantonen wieder. «Ein Teil der Verantwortlichen in den reformierten Kirchen der Kantone Genf und Waadt, mit denen ich mich unterhalten habe, zeigen sich irritiert darüber, dass sie in die Überlegungen nicht einbezogen wurden». Gleichzeitig erklärten aber alle ihre Bereitschaft, in einen konstruktiven ökumenischen Dialog treten zu wollen, «um zu verhindern, dass es künftig zwei ‘Vater unser’ gibt: ein katholisches und ein reformiertes».

«Unter Druck»

Dass der Entscheid ökumenisch betrachtet zu Problemen führen kann, anerkennt die Verantwortliche für Marketing und Kommunikation bei der Schweizer Bischofskonferenz, Encarnación Berger-Lobato. «Die Bischöfe sind sich dessen bewusst», sagte sie gegenüber cath.ch. «Wir konnten aber nicht das einzige frankophone Land sein, das diese Änderung nicht akzeptiert. Der Druck gestattete es uns bisher nicht, mit dem SEK in Verbindung zu treten. Wir hoffen aber, dass wir eine ökumenische Vereinbarung finden können, die es uns erlaubt, gemeinsam mit den gleichen Worte zu beten.» (cath.ch/gs)

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