«Niklaus von Flüe sorgte dafür, dass Menschen einander zuhören»

Bern/Sarnen OW, 28.4.17 (kath.ch) Bundespräsidentin Doris Leuthard (CVP) wird am 30. April am Staatsakt zum Jubiläum von Niklaus von Flüe Grussworte des Bundesrats überbringen. Im Interview mit kath.ch erklärt sie, warum der Heilige auch für die heutige Schweiz wichtig ist und was er ihr selber bedeutet.

Sylvia Stam

Warum braucht es einen Staatsakt für das Jubiläum eines Heiligen?

Doris Leuthard: Dass der Kanton Obwalden diese Gedenkfeier stemmt, ist ihm hoch anzurechnen. Bruder Klaus hat mit seinem Wirken und seinen Interventionen das damals fragile Gebilde der Eidgenossenschaft wesentlich mitgeprägt. Er hat sich gegen Egoismus und Machthunger gestellt. Er stand für Dialog und Nächstenliebe.

Er konnte über den geistigen Gartenzaun hinausblicken.

Alles Eigenschaften, die auch die Schweiz von heute mit der direkten Demokratie, als Depositarstaat der Genfer Konventionen oder als Heimat des Internationalen Roten Kreuzes ausmachen. Dessen zu gedenken, scheint mir in der heutigen Zeit nötiger denn je.

Ist Niklaus von Flüe für Sie eher eine politische oder eine religiöse Figur?

Leuthard: Er hat sich in erster Linie Gott zugewandt. Aber dank seiner Herkunft als Bauer, Soldat, Ratsherr und Richter kannte er auch die Nöte und Bedürfnisse der damaligen Bevölkerung. Deshalb war er glaubwürdig. Die Menschen holten bei ihm Rat, weil er offenbar ihr Vertrauen genoss und weil er auch in der Lage war, über den geistigen Gartenzaun hinauszublicken.

Keiner hat die Weisheit für sich gepachtet.

Welche politische Botschaft hat Niklaus von Flüe Ihrer Meinung nach heute noch für die Schweiz?

Leuthard: Dass wir respektvoll aufeinander zugehen sollten. Dass wir dem Anderen zuhören müssen. Keiner allein hat die Weisheit für sich gepachtet. Obwohl Bruder Klaus ein weltabgewandtes Leben lebte, hörte er immer wieder zu, nahm die Anliegen der Menschen ernst, er dachte mit und mischte sich ein.

Das Stanser Verkommnis kam vermutlich durch die Vermittlung von Niklaus von Flüe zustande. Gibt es Persönlichkeiten, auch religiöse, die heute in der Schweizer Politik eine ähnlich vermittelnde Rolle spielen könnten?

Leuthard: Ich möchte nicht einzelne Personen nennen. Grundsätzlich ist unser System auf transparente Beteiligung der Bürger, Debatte und Konsensfindung ausgerichtet. Das Volk hat das letzte Wort.

Man muss nicht immer auf die Lauten hören.

Es gibt daher in der Politik, in der Wirtschaft und vor allem in der Gesellschaft sehr viele Menschen, die sich uneigennützig für das Gemeinwohl einsetzen und an Lösungen arbeiten. Man muss nur nicht immer auf die Lauten hören; die Leisen und Stillen machen oftmals viel mehr.

Welche Bedeutung hat Niklaus von Flüe für Sie persönlich?

Leuthard: Er überzeugt mich heute noch, weil er zuhören konnte, dafür sorgte, dass die Menschen miteinander sprachen, statt sich die Köpfe einzuschlagen, und so Lösungen fanden. Das ist ein universales Rezept, das heute noch gilt – ganz besonders heute, in einer verunsicherten, oft gewalttätigen Welt. Als Frau möchte ich aber auch die wichtige Rolle seiner Gattin unterstreichen, ohne deren Unterstützung und Verantwortung er seine Familie nicht hätte verlassen können.

Hinweis: Am 30. April findet der Staatsakt zum Jubiläum von Niklaus von Flüe statt. Bundespräsidentin Doris Leuthard wird Grussworte des Bundesrats überbringen. Beginn: 9.30 Uhr Einzug vom Dorfplatz Sarnen auf den Landenberg.


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