«Trotz viel Blutvergiessen müssen wir uns daran erinnern»

Locarno, 22.4.17 (kath.ch) Die Reformation vor 500 Jahren hatte weltweite Folgen, die bis heute andauern. Davon ist Paul Steinmann, Autor des Theaterstücks, «Die Vertreibung» überzeugt. Am 21. April wurde die Premiere in Locarno aufgeführt, das vom Verein «500 anni riforma Ticino» (500R) organisiert wurde. Wieso Steinmann als Katholik das Reformationsjubiläum feiert und warum Theaterstücke besser als Geschichtsbücher sind, erzählt er im Interview mit kath.ch.

Francesca Trento

Ein Katholik schreibt über die Reformation. Wie kam das?

Paul Steinmann: Ich kenne den Regisseur und Theaterspieler, Remo Sangiorgio, seit etwa zehn Jahren. Er ist Delegierter des Schweizerischen evangelischen Kirchenbundes (SEK) im Tessin und fragte mich vor zwei Jahren an. Ich sollte ein Theaterstück über die im Jahr 1555 erfolgte Vertreibung einer grossen Gruppe von Reformierten aus der Stadt Locarno schreiben. Da mich diese Geschichte als Theologe und auch persönlich interessiert, habe ich zugesagt.

Sie haben also die Geschichte nicht selbst erfunden?

Steinmann: Nein. Während der Reformation gab es auch im Tessin Umbrüche und Spaltungen. Das Stück «Die Vertreibung» erzählt eine wahre Geschichte. Über die Reformation wurde glücklicherweise viel schriftlich festgehalten, das auch wissenschaftlich belegt ist.

Wir müssen uns an die Reformation erinnern.

Sie sind Theologe, nicht Historiker.

Steinmann: Im Theologiestudium kommt man jedoch nicht um die Kirchengeschichte rum. Schon gar nicht um die Reformation (lacht). Meine Stücke basieren meistens auf historisch belegten Ereignissen. Den Regisseur lernte ich zum Beispiel im Stück «D’Gotthardbahn» kennen, das auch auf Tatsachen beruht.

Wieso soll ich ein Theaterstück anschauen, wenn ich es auch in einem Geschichtsbuch nachlesen kann?

Steinmann: Für Aussenstehende ist es oft schwer, sich die Umsetzung in ein Theaterstück vorzustellen. Das macht auch die Organisation im Voraus so schwierig. Wie überzeugt man zum Beispiel Sponsoren, dass es sich lohnt, in so etwas zu investieren?

Die Reformation war jedoch ein weitreichendes Ereignis, das bis heute noch weltweite Folgen trägt. Nicht nur theologische, sondern auch politische und gesellschaftliche. Das Bewusstsein dafür fehlt jedoch den meisten. Ein Theaterstück dazu kann den Zugang zu diesem unglaublichen Ereignis erleichtern. Und natürlich das Bewusstsein dafür stärken.

Ohne die Reformation wären wir nicht da, wo wir heute sind.

Es tönt so, als ob Sie das Reformationsjubiläum feiern würden. Nicht alle Katholiken sehen in der Reformation jedoch ein Grund zum Feiern…

Steinmann: Die Reformation war eine Trennung, ja. Eine Trennung geht nicht ohne Trauer und Schmerz. Die Auseinandersetzungen auf theologischer, politischer und wirtschaftlicher Ebene waren immens. Viel Blut ist geflossen. Trotzdem: Eine Spaltung kann immer auch Weiterentwicklung bedeuten. Wir feiern dieses Jahr das 500-Jahre Reformationsjubiläum, weil es eben bis heute noch Folgen trägt. Ohne die Reformation, wären wir nicht da, wo wir heute sind. Das muss nicht unbedingt gefeiert, aber erinnert werden.

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