In Ewigkeit nicht – Gedanken zum Sonntag, 26. Februar

Gedanken zum Sonntag 26. Februar 2017. – – 8. Sonntag im Jahreskreis (Jes 49,14f)

In Ewigkeit nicht

Jacqueline Keune

25.2.17 (kath.ch) Am Tag, als die Eltern von der Polizei erfahren haben, dass ihre Tochter einen Menschen getötet hat, haben sie beschlossen, keine Tochter mehr zu haben. Die Frau, die zu langer Haft verurteilt wurde, hat mir erzählt, dass sie dieses Verlassen- und Vergessen-Werden durch ihre Mutter und ihren Vater als weit schlimmere Strafe denn das Gefängnis erfahren hat.

In Genf lag ein Mann 28 Monate lang tot in seiner Wohnung. 28 Monate, in denen kein einziger Mensch nach ihm gefragt hat. Nicht die Frau, mit der er Jahre seines Lebens geteilt hatte. Nicht die Tochter, deren Vater er war. Nicht die Nachbarin, die Tür an Tür mit ihm wohnte. Nicht der Briefträger, der die Post in den vollen Kasten stopfte. Nicht das Amt, von dessen Unterstützung er «lebte». Nicht der Arzt, in dessen Behandlung er war.

Paul hat seiner Freundin Liebesgedichte geschrieben, ihr gesagt, dass er sich noch nie bei einem Menschen so geborgen gefühlt habe und die Beziehung für ihn unkündbar sei. Als er die Freundin über hatte, hat er sich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet, so, als ob es sie nie gegeben hätte.

«Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihr leibliches Kind? Und selbst wenn sie es vergessen würde: ich vergesse dich nicht», verspricht Gott durch Jesaja.

Auch die liebevollste Erinnerung bewahrt nicht vor dem Sterben, aber sie bewahrt vor dem Verlorengehen. Und wenn keine mehr da ist, die sich erinnern kann, und wenn alles im Meer der Zeit versinkt, und wenn Menschen in einer kalten Gruft, einem endlosen Krieg, hinter hohen Mauern oder zwischen brennenden Erinnerungen verschwinden, dann reisst Gott einen Horizont über uns auf, wirft alle die Grenzen hoch ins Blau und flüstert uns zu, dass nichts ganz und gar kaputt gehen und etwas in uns niemals sterben kann. Und dass er alle die Toten und alle die Opfer in Ewigkeit nicht vergisst.

* Jacqueline Keune ist freischaffende Theologin und lebt in Luzern.

 

 

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