Religiöse Vielfalt nimmt auch in katholischen Stammlanden zu

Luzern, 21.1.17 (kath.ch) Eine interaktive Karte zeigt die Religionslandschaft des Kantons Luzern auf. Erstellt wurde sie vom Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Luzern. Dessen Leiter Martin Baumann erläutert im Interview mit kath.ch, wie sich die Luzerner Religionslandschaft verändert hat.

Sylvia Stam

Die Landkarte zeigt eine eindrückliche Vielfalt! Ist Luzern ein Eldorado für Spiritualität?

Martin Baumann: Sicherlich nicht. In Grossstädten wie Basel, Zürich oder Genf ist die Pluralität noch grösser. Interessant an der interaktiven Luzerner Landkarte ist aber, dass die Pluralität auch in diesen katholischen Stammlanden zunimmt.

Worauf führen Sie das zurück?

Baumann: Das hat einerseits mit der Zuwanderung zu tun, andererseits wenden sich Menschen vermehrt neuen religiösen Orientierungen zu. Eine davon ist sicherlich der Buddhismus, hier gibt es zwölf verschiedene Gemeinschaften, nur zwei davon sind von Immigranten gebildet.

Nach welchen Kriterien wurden die einzelnen Religionsgemeinschaften ausgewählt?

Baumann: Dokumentiert wurden Gruppen ab circa acht Personen, die sich mindestens einmal monatlich treffen.

Wie haben Sie die einzelnen Gemeinschaften gefunden?

Baumann: Wir haben schon 2007 eine solche Erhebung gemacht und die damaligen Gemeinschaften nochmals kontaktiert. Meistens haben wir sie angeschrieben, dann angerufen, bei einigen sind wir auch vorbeigegangen. Bei diesen Kontakten haben wir die Gemeinschaften auch gefragt, ob sie von Veränderungen wissen oder neue Gemeinschaften kennen. Wir sind ein Stück weit darauf angewiesen, dass wir Informationen über solche Veränderungen bekommen.

Ein grosses Thema ist die Fluktuation bei den Räumen. Hier müssen die Adressen laufend aktualisiert werden. Es hat sich gezeigt, dass aus diesem Grund vor allem afrikanische Kirchen schwer zu erreichen sind.

Wie geschah die Einteilung in eine bestimmte Gruppierung? Das Zen-Zentrum Luzern beispielsweise hat eine interreligiöse Ausrichtung, ist aber auf der Karte dem Buddhismus zugeteilt.

Baumann: Die Einteilung war tatsächlich manchmal strittig. In solchen Fällen haben wir das Angebot angeschaut und untersucht, worauf der Schwerpunkt liegt. Die Angebote des Zen-Zentrums liegen mehrheitlich im Bereich Zen-Meditation, daher die Einteilung.

Sie arbeiten seit 2004 an diesem Projekt. In welche Richtung entwickelt sich die Luzerner Religionslandschaft seither?

Baumann: In der Stadt Luzern gibt es eine grössere Pluralität. Vor allem die nichtchristlichen Gruppen haben zugenommen. Auch stellen wir eine grössere Differenzierung im Bereich des christlich-freikirchlichen Spektrums fest. Hier bilden sich immer wieder neue Verzweigungen.

Auf dem Land ist die Situation stabiler: Hier gibt es nach wie vor eine grosse katholische Dominanz und einige reformierte Kirchen. In den kommenden Jahren wird es im Bereich der katholischen Gemeinschaften sicherlich Veränderungen geben durch die Zusammenlegung von Pfarreien zu Pastoralräumen.

Gibt es auch rückläufige Entwicklungen?

Baumann: Es gibt einige wenige esoterische und hinduistische Gemeinschaften, die nicht mehr existieren. Gerade esoterische Gruppen sind nicht selten an eine bestimmte Person gebunden. Wenn diese wegzieht oder stirbt, kann auch die Gemeinschaft von der Landkarte verschwinden.

Die zunehmende Pluralität sagt aber noch nichts darüber aus, ob die Anzahl spirituell aktiver Menschen ebenfalls zunimmt.

Baumann: Das ist richtig, die interaktive Karte sagt nichts über die Mitgliederzahlen.  Auf wenige Gemeinschaften können sehr viele Gläubige kommen, so etwa acht Moscheen für etwa 14’000 Muslime. Und auf viele Gemeinschaften können wenige Personen kommen, so bei den circa 1400 Buddhisten und Buddhistinnen mit aktuell zwölf Gruppen.

An wen richtet sich die Karte?

Baumann: Grundsätzlich an eine interessierte Bevölkerung, ebenso an den Bereich Weiterbildungen und Schulen. Letztere werden wir nächstens kontaktieren, um sie über die Karte zu informieren. Dabei werden wir auch Ideen zur didaktischen Umsetzung vorschlagen.

Martin Baumann ist Professor für Religionswissenschaft und Leiter des Religionswissenschaftlichen Seminars an der Universität Luzern.

 

 

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