Kardinäle bitten Papst um Klärung zu Wiederverheirateten

Rom, 14.11.16 (kath.ch) Mehrere Kardinäle haben offenbar an Papst Franziskus appelliert, mehr Klarheit über den kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zu schaffen. Nach dem päpstlichen Schreiben «Amoris laetitia» gebe es «eine ernste Verunsicherung vieler Gläubiger und eine grosse Verwirrung», heisst es in einem Brief, den mehrere Online-Medien am Montag im Wortlaut veröffentlichten.

Auch unter Theologen und Bischöfen gebe es einander widersprechende Interpretationen. Die Unterzeichner bitten den Papst, «die Ungewissheiten zu beseitigen und Klarheit zu schaffen». Sie selbst lassen Zweifel daran erkennen, dass eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen nun möglich sei.

Konservativer Flügel des Kardinalkollegiums

Unter den angeblich vier Unterzeichnern werden auch der frühere Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner und der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Brandmüller genannt. Eine Bestätigung dafür war am Montag zunächst nicht zu erhalten. Weitere Kardinäle sollen laut dem veröffentlichten Brief der frühere Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, und der amerikanischen Kardinal Raymond Leo Burke, der geistliche Patron des Malteserordens. Alle vier werden dem konservativen Flügel des Kardinalskollegiums zugerechnet. Das im April veröffentlichte päpstliche Schreiben «Amoris laetitia» bildet den Abschluss der beiden Bischofssynoden über Ehe und Familie.

Die Veröffentlichung des vor zwei Monaten versandten Briefs wird damit begründet, dass Franziskus die Anfrage nicht beantwortet habe. Dies habe man als «Einladung» aufgefasst, «das Nachdenken und die Diskussion fortzusetzen».

Die Unterzeichner betonen, dass sie keine «Gegner des Heiligen Vaters» seien. Ihre Anfrage entspringe vielmehr «der tiefen kollegialen Verbundenheit mit dem Papst und aus der leidenschaftlichen Sorge für das Wohl der Gläubigen». Mit ihrer Bitte, Mehrdeutigkeiten zu zerstreuen, wollten sie «Spaltungen und Entgegensetzungen vorbeugen».

Kommunionempfang

Die Kardinäle legen dem Papst insgesamt fünf Punkte mit Bitte um Klärung vor. Hierbei geht es neben dem Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene auch um grundsätzliche Fragen, etwa ob die von Johannes Paul II. (1978-2005) verkündete Lehre von ausnahmslos gültigen absoluten moralischen Normen weiter Bestand hat.

Weitere Anfragen betreffen das Verständnis von Sünde und die Gewichtung der äusseren Umstände für die moralische Bewertung einer Handlung im Licht von «Amoris laetitia». Die Unterzeichner wollen wissen, ob man nach diesem päpstlichen Schreiben weiter von einer «objektiven Situation der habituellen schweren Sünde sprechen» könne. Mit Blick auf die äusseren Umstände einer Handlung fragen sie, ob diese einen in sich «sittenlosen Akt» zu einer vertretbaren Handlung machen können.

Antwort nur mit «Ja» oder «Nein» möglich

Die Fragen sind laut dem Brief nach einer alten Kurienpraxis als «dubia» (lateinisch für «Zweifel») formuliert, die als Antwort ein «Ja» oder «Nein» ermöglichen. Regelmässig wenden sich auf diese Weise etwa Bischöfe an den Vatikan, um eine aus ihrer Sicht unklare Rechtslage klären zulassen. Laut Kirchenrecht ist ein Gesetz, dessen Existenz oder Verbindlichkeit zweifelhaft ist, nicht verpflichtend. Gleiches gilt bei Zweifeln, ob ein bestimmter Sachverhalt vom Gesetz erfasst wird.

In der Öffentlichkeit besonders beachtet wird die Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Umständen wieder zum Empfang der Kommunion zugelassen werden können. Bisher war dies nur möglich, wenn sie in ihrer neuen zivilen Ehe enthaltsam lebten. Ob der Papst diese Regelung mit «Amoris laetitia» gelockert hat oder nicht, wird seit Monaten heftig diskutiert.

Uneindeutige Haltung des Papstes

Franziskus selbst hat bisher nicht mit einfachem Ja oder Nein geantwortet auf die Frage, ob sein Schreiben konkrete Neuerungen in Sachen Sakramentenempfang bringe: «Ich könnte sagen ‘ja’ und Punkt. Aber das wäre eine zu kleine Antwort.»

An anderer Stelle hat er allerdings indirekt den Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene in Einzelfällen verteidigt, zugleich aber eine zu liberale Praxis abgelehnt. Zu einer entsprechenden Orientierungshilfe argentinischer Bischöfe schrieb er, es gebe «keine anderen Interpretationen». Die Bischöfe hatten darin betont, sie sähen durch «Amoris laetitia» die Möglichkeit der Kommunion für Katholiken in einer kirchenrechtlich problematischen Situation eröffnet.

Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, hat sich in der Debatte über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen nach «Amoris laetitia» noch nicht eindeutig positioniert. (cic/kna)

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