«Wort zum Sonntag»-Sprecherin: «Ich brauche kein ‹Hätschel Tätschel›»

Luzern, 21.10.16 (kath.ch) Das «Wort zum Sonntag» des Schweizer Fernsehens SRF ist nicht jedermanns Sache. Auch nicht jederfraus. Edith Birbaumers jedoch schon. Am Samstag geht die katholische Seelsorgerin zum ersten Mal auf Sendung und spricht ein aktuelles Thema an: Trump versus Hilary. Was da abgeht, sei «schon ein bisschen irr», meint sie gegenüber kath.ch.

Francesca Trento

Vor der Zwitscherbar im Vogelgärtli Luzern zwitschern ein paar Vögel. Ab und an raschelt ein Ast, ein paar Herbstblätter fallen zu Boden. Im Gesprächs- und Beratungscafé der Luzerner Kirchen sitzen Gäste und trinken einen Kaffee oder essen ihr selbstmitgenommenes Picknick. Es ist «heimelig», ein herbstliches Licht fällt durch den Eingang auf die paar runden Tische. Edith Birbaumer läuft elegant an einen dieser Tische und stellt sich vor. Sie sei gerade von der Zwitscherbar-Vorstandssitzung gekommen, sagt sie. Sie bestellt einen Kaffee, setzt sich und nimmt einen Bissen vom Kuchenstück. Ihre Augen strahlen. Die Theologin begrüsst alle beim Vornamen. Berührungsängste sind ihr fremd.

Religion hat noch Platz

Ob sie froh war, als sie das Fernsehen anrief und sie fragte, ob sie «Wort zum Sonntag»-Sprecherin werden wollte? Sie zögert, lächelt kurz. Es scheint, als ob sie ihre Worte vorsichtig abwägt und trotzdem schnell und bestimmt spricht. «Ich war nicht unbedingt überwältigt», meint sie vorsichtig.

«Die Religion ist keine tickende Zeitbombe»

«Diese neue Aufgabe anzunehmen, hiess ja: Ich muss meine Komfortzone verlassen.» Ehrlich und direkt fährt sie weiter: «Dabei war doch alles so schön wie es war», sie schmunzelt, wirft die Hände ein wenig in die Luft. «Aber ich mag Herausforderungen. Und ich liebe das Wort zum Sonntag.» Wieso genau Edith Birbaumer? Vor etwa einem Jahr habe sie in einem Fernsehgottesdienst die Predigt gehalten. «Daher kannten sie mich vielleicht», erklärt sie.

Das «Wort zum Sonntag» gebe der Religion, dem Glauben und der Spiritualität Platz im Alltag, so die Seelsorgerin. Dank der Sendung merkten die Menschen, dass Religion keine «tickende Zeitbombe» sei. Die Kirche habe mehr und mehr Schwierigkeiten, sich in der Gesellschaft ihren Platz zu legitimieren. Es gibt immer weniger Kirchgänger, Theologiestudenten und -studentinnen und demnach auch immer weniger Pfarrer und Pfarrerinnen. «Das Wort zum Sonntag zeigt jedoch: die Kirche, der Glauben, die Religion haben noch Platz im Alltag der Menschen.»

Junge Weisheit

Vor zwei Tagen habe sie ihr erstes «Wort zum Sonntag» fertig gemacht, meint Birbaumer ein wenig verschmitzt. Etwas auf den «letzten Drücker» zu machen, scheint nicht ihre Art. Sie scheint in allem, was sie tut, zuverlässig zu sein. Aber sie habe sich im letzten Moment für ein anderes Thema entschieden, meint Birbaumer offen und ehrlich wie sie ist. «Ich könnte meinen Beruf nicht ausführen, würde ich mich verschliessen, würde ich mich nicht auch verletzlich zeigen», meint sie.

Ich könnte die Nächste sein

In ihren Worten flackert eine Weisheit auf, die bei Menschen in ihrem Alter heutzutage nicht oft angetroffen wird. Birbaumer ist erst 34 Jahre alt. Ihr Aussehen, ihr Lachen, ihre Bewegungen sehen jünger aus. Ihre Augen aber sagen etwas anderes. Sie hat auch schon Leid erlebt und gesehen. Ihre Ausstrahlung ist auf eine gewisse Art beruhigend, geben einem das Gefühl: Dieser Frau kann ich vertrauen, ohne dass sie es erzwingt.

Als Seelsorgerin betreut sie Menschen in einem Pflegeheim. «Mir ist der Unterschied zwischen Pflege- und Altersheim wichtig. Im Pflegeheim muss man nicht alt sein, um darin zu leben, sondern krank und hilfsbedürftig.» Es werde ihr immer wieder bewusst, wenn sie darin Menschen begleitet und am Ende des Tages den Ort verlässt: «Ich könnte die Nächste sein». Sie wirkt betroffen. Ihre Augen strahlen nun eine alte Trauer aus. Woher sie kommt, will sie nicht sagen. «Niemand ist aus Spass dort. Trotzdem gibt es Momente, in denen wir zusammen lachen. Aber auch weinen.»

Die Trauer verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist und macht wieder dem lebensfrohen Ausdruck Platz. «Ich bin dankbar für meine Gesundheit. Ebenso bin ich dankbar für das Leben dieser Menschen, die vor der Krankheit eine Biografie hatten. Und ich darf diese erfahren und ihre zukünftige noch mitgestalten.»

Angespannt, nicht nervös

Am Freitagnachmittag gehe es mit der ersten Aufnahme des «Worts zum Sonntag» los. «Ich bin nicht nervös», meint sie. Es schüttelt sie kurz, ein unsicheres Lächeln huscht über ihr Gesicht. «Ich bin angespannt.» Sie möge Kritik, sei sogar sehr darauf bedacht, welche zu bekommen. «Man muss sich immer wieder selber reflektieren und nicht die Augen davor zu verschliessen, wie die Realität ist.»

«Nur, weil ich es ausspreche, geht die Welt nicht unter»

Aber im Fernsehen zu erscheinen, sich in der Öffentlichkeit «verletzlich zu geben», koste sie auch Mut – obwohl sie Herausforderungen liebe. Das sei früher zwar anders gewesen, da war sie «recht scheu und ruhig», aber mittlerweile weiss sie, «nur weil ich eine Meinung habe und sie ausspreche, geht die Welt nicht unter», meint sie selbstsicher. Immer wieder mit einem Lächeln im Gesicht. Ein ehrliches Lächeln. Trotzdem: Wenn die Feedbacks verletzend wären, also nicht «die Sache an sich» kritisierten, also sagen würden: «Diese Meinung teile ich nicht, weil…», sondern eher «unter der Gürtellinie» wären, dann würde es sie «knicken».

«Ich meine: Mir soll man nicht mit blindem Zuspruch begegnen und mich nicht mit ‘Hätschel Tätschel’ behandeln», meint sie bestimmt. Sie ringt um Worte. «Ich möchte jedoch eine Diskussion über Religion anregen und nicht über mich als Person, wenn ich auf Sendung bin.»

«Die Situation in Amerika ist ganz schön irr»

Birbaumer bleibt zuversichtlich. Sie glaubt an das Gute. Natürlich könne jeder schnell «liken». Aber da sie weder Facebook noch andere Social Media Kanäle habe, sei virtuelle Kritik sekundär. Denn sie setze auf «reale Konfrontation», meint sie. «Sobald Menschen nahe, auf Augenhöhe etwas mitteilen, mit ihrem wahren Gesicht dafür hinstehen müssen, ist das ‘unter der Gürtellinie’ schwerer auszusprechen.»

Donald Trump

Worum geht es in ihrem ersten «Wort zum Sonntag»? Sie lächelt. Es gehe um die Präsidentenwahl Amerikas. Das ganze mache etwas mit ihr. «Es ist ganz schön irr, was da läuft. Aber ich sage nicht, ob ich für oder gegen Trump bin», fügt sie verschmitzt hinzu.

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