Christoph Sigrist zum Dalai Lama: «Darf ich Sie als Bruder ansprechen?»

Zürich, 15.10.16 (kath.ch) «Sie alle haben die Verantwortung, Frieden in die Welt zu bringen!» Der Dalai Lama rief in seiner Predigt im Grossmünster in Zürich die über tausend Anwesenden auf, mit ihm für den Frieden zu beten. Mit dabei waren Vertreterinnen und Vertreter aller wichtigen Religionen in der Schweiz. Der Zürcher Stadtrat war mit Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) und Polizeivorsteher Richard Wolff (AL) in der vordersten Kirchenbank vertreten, zusammen mit dem Präsidenten des Regierungsrates Mario Fehr (SP) und Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP).

Charles Martig

So viele Menschen und Gläubige hat das Grossmünster Zürich lange nicht mehr gesehen. Der Dalai Lama sorgte für Andrang: Die tausend Plätze genügten nicht. Beim Public Viewing auf dem Zwingliplatz versammelten sich viele Neugierige mit Smartphone und Betende mit andächtigen Gesichtern. Während Regierungspräsident Mario Fehr (SP) im Innern der Kirche den Dalai Lama empfing, hielten draussen junge Tibeter bedruckte Kartonschilder über ihre Köpfe und formten damit ein riesiges Mosaik. Von oben gesehen ergaben sie ein Bild des Dalai Lama und den Slogan: «Wir heissen seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama willkommen, während unsere Regierung kein Rückgrat hat», wie die «Schweiz am Sonntag» berichtet.

Vielfältiger, farbiger, herzlicher

Christoph Sigrist, reformierter Pfarrer des Grossmünsters, eröffnete den Anlass mit warmen Worten und sprach «Seine Heiligkeit» zuerst mit dem offiziellen Titel an. Dann fügte er hinzu: «Oder darf ich Sie als unseren Bruder ansprechen?» Diese Wärme und Herzlichkeit sorgte für Applaus, eine ungewöhnliche Reaktion in diesem Gotteshaus, das dem Geist von Zwingli huldigt und sonst nur das Wort der Bibel und die Musik von Bach zulässt. An diesem Samstagmorgen war alles etwas anders: vielfältiger, farbiger und herzlicher.

Sigrist, der den Dalai Lama nach Zürich eingeladen hate, war es ein grosses Anliegen, dass der Anlass nicht nur einen Event darstellte. Er forderte die Anwesenden deshalb auf, aus der Zuschauerhaltung in die innere Haltung des Gebets zu wechseln. Fotografen und Videojournalisten bat er, während des Gebets keine Bilder zu schiessen. Dieser Versuch, ein authentisches Gebet durchzuführen, gelang über weite Strecken, trotz des grossen Medienandrangs.

Bob Dylan der Religion

Der Dalai Lama sei so etwas wie der Bob Dylan der Religion, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt: «Er macht Tiefgründiges populär, ohne oberflächlich zu werden.» Als religiöses Oberhaupt spielt er im heutigen Mediensystem nach den Regeln der Superstars. Ähnlich wie Papst Franziskus löst er grosse Aufmerksamkeit aus und nutzt diese nicht nur für die religiöse Unterweisung, sondern auch für seine Botschaft der Barmherzigkeit.

Die Ansprache des Dalai Lama im Grossmünster dauerte rund eine Stunde und war geprägt von Aussagen wie «God is infinite Love – Gott ist unendliche Liebe» und «Compassion – Mitgefühl». Es waren klassische Aussagen aus dem tibetischen Buddhismus, die der Dalai Lama in einfachen Sätzen formulierte. Die Betenden im Grossmünster verfolgten diese andächtig und wurden zwischendurch auch vom Humor des Dalai Lama überrascht; wenn er anschauliche Anekdoten erzählte oder sich während der Übersetzung ostentativ hinsetzte.

Interreligiöser Geist

Beim interreligiösen Friedensgebet wurden Pfarrer Sigrist und der Dalai Lama unterstützt von Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Religionen. Rabbiner Tovia Ben-Chorin (St. Gallen), Imam Bilal Yildiz (Zürich), Rahel Walker Fröhlich, Pastoralassistentin der römisch-katholischen Kirche im Kanton Zürich, Hanna Kandal, reformierte Pfarrerin (Zürich) und die junge Jegantathan Periyathambi von der hinduistischen Gemeinschaft Adliswil (ZH) brachten ihre Gesänge und Gebete zum Frieden ein. Eingeladen hatte das Zürcher «Forum der Religionen», das den interreligiösen Geist dieser Begegnung in der Mutterkirche der Reformation prägte.

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Blogbeitrag: «Ich als ‹Züribueb› freue mich über die Ausstrahlung von Religion in die Gesellschaft»

 

 

 

 

 

 

 

 

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https://www.kath.ch/newsd/pfarrer-christoph-sigrist-zum-dalai-lama-darf-ich-sie-als-bruder-ansprechen/