«Schwarzer Papst» tritt zurück – ein Kulturübergreifender und Inspirierender erwünscht

Rom, 28.9.16 (kath.ch) Es war ein Paukenschlag, als im Mai 2014 der Ordensgeneral der Jesuiten, Adolfo Nicolas, für 2016 seinen Amtsverzicht ankündigte. Mit Blick auf seine Kräfte wolle er die Leitung des grössten Männerordens der katholischen Kirche in jüngere Hände geben, hiess es damals in einem Brief aus Rom an die rund 16’400 Jesuiten weltweit.

Beim Generalkapitel seines Ordens, das ab 2. Oktober in Rom tagt, gibt der 80-jährige Spanier Nicolas, 29. Nachfolger des Gründers Ignatius von Loyola (1491-1556), den Stab weiter. Eigentlich aber amtierten die Generaloberen der Jesuiten, wegen ihrer einstigen Machtfülle und mit Blick auf die Ordenstracht auch «schwarzer Papst» genannt, seit fast 500 Jahren auf Lebenszeit. Nicolas’ Amtsverzicht ist nun schon der dritte Bruch mit dieser Regel in Folge.

Eingriff in die Eigenständigkeit des Ordens

Mit dem Niederländer Peter Hans Kolvenbach (1983-2008) trat erstmals ein Jesuitengeneral freiwillig vorzeitig von der Ordensleitung zurück. Den Traditionsbruch leitete freilich ein anderer ein: Nach einem Schlaganfall von General Pedro Arrupe (1965-1981) setzte – auf dem Höhepunkt einer Krise des Ordens – Papst Johannes Paul II. zwei Stellvertreter seines Vertrauens für den gewählten Amtsinhaber ein. Ein spektakulärer Eingriff des Papstes in die Eigenständigkeit des Ordens, der damals durchaus Kritik stiess hervorrief. Später soll der Papst im Gespräch, also inoffiziell, eingeräumt haben, falsch über den Zustand des Ordens informiert gewesen zu sein.

Mithin sind es zwei Päpste der jüngsten Vergangenheit, die die Leitung der «Gesellschaft Jesu» zu einem historischen Wandel inspirierten: der Steuermann der Weltgeschichte Johannes Paul II. (1978-2005) und der deutsche Benedikt XVI. (2005-2013) – der den Mut hatte, erstmals seit dem Mittelalter die Karte eines päpstlichen Amtsverzichts qua Alter zu ziehen.

Damit wurden 2013 offenbar gleich zwei neue Entwicklungen losgetreten. Erstens: Auf Benedikt XVI. folgte Franziskus, eine Sensation als erster Jesuit auf dem Papstthron; Vertreter einer Gemeinschaft, der qua Ordensregel eingeschärft ist, niemals nach kirchlichen Ämtern zu streben. Und zweitens: Wer qua Tradition lebenslänglich hat, muss nicht mehr zwangsläufig auch lebenslänglich bleiben.

Kräfte reichen nicht mehr aus

Der «schwarze Papst» Nicolas folgt darin dem «weissen Papst» Benedikt XVI.: Wer glaubhaft angeben kann, seine Kräfte reichten nicht mehr aus, der darf ehrenhaft das Zepter weitergeben. Die polnische Lesart der Schule Johannes Pauls II. lautete vor wenigen Leidensjahren noch: Vom Kreuz steigt man nicht herab.

Der Kreis zwischen Päpsten und Jesuiten schliesst sich, liest man den Brief des nun bald scheidenden Generals Nicolas von 2014 weiter. Papst Franziskus – selbst Jesuit – trage seine Entscheidung zum Amtsverzicht mit, heisst es darin; zumindest habe er die Idee mit ihm und mit vielen Jesuiten-Provinzialen weltweit diskutiert. Zuletzt gab Nicolas zu Protokoll, Franziskus habe ihm abgeraten, einen Amtsverzicht offiziell als Möglichkeit zu verankern. Die Ordensregel gebe schon jetzt genügend Spielraum dafür.

Und was bedeutet das für den amtierenden Papst selbst? Mit fast 80 Jahren ist Franziskus gerade mal knapp acht Monate jünger als der scheidende Ordensobere. Könnte also auch der gesundheitlich anfällige Franziskus, sich berufend auf seinen päpstlichen Vorgänger Benedikt XVI. (89) wie auch auf seinen eigenen Ordensgeneral, in absehbarer Zeit sagen: Es ist genug gewesen?

Die historische Bürde für ein solches mögliches Votum gebührt freilich nicht Benedikt XVI. allein, sondern fiele seinerseits wieder auf den Jesuitenorden zurück. General Peter Hans Kolvenbach (87), der sich 2008 im Alter von 79 Jahren zurückzog, sagte damals: «Die Gesellschaft Jesu hat das Recht, von einem Jesuiten regiert und inspiriert zu werden, der in vollem Besitz seiner körperlichen und geistlichen Talente ist – und nicht von einem Ordensbruder, dessen Energie vom Alter zerrieben wird.» Ähnlich schrieb es 2014 Nicolas.

Spitz formuliert, legt die Perspektive des Kirchenhistorikers nahe: Der Papst und der Jesuitengeneral näherten sich im frühen 21. Jahrhundert ähnlich den Kardinälen einer 80-Jahre-Grenze für ihre Leitungsfunktionen an.

Kulturübergreifend und inspirierend soll er sein

«Der neu zu wählende Generalobere der Jesuiten soll kulturübergreifend wirken und eine inspirierende Persönlichkeit sein.» Mit dieser Erwartung nimmt Pater Bernhard Bürgler als österreichischer Jesuitenprovinzial des weltweit größten Männerordens erstmals an dessen Generalkongregation in Rom teil, die am kommenden Sonntag eröffnet wird. Neben der Wahl eines neuen Generaloberen geht es bei der mehrwöchigen Versammlung mit Teilnehmen aus der ganzen Welt um die inhaltliche Standortbestimmung und Neuorientierung des Ordens. Zentral sei dabei, wie die Impulse des ersten Papstes aus dem Jesuitenorden in dessen Gemeinschaft selbst aufgegriffen und umgesetzt werden. «Ich bin schon gespannt, was Papst Franziskus dem Orden mit auf dem Weg gibt», so Bürgler am Mittwoch im Interview mit Kathpress.

Weil Europa nicht mehr das alleinige Zentrum des Ordens sei und die Länder der südlichen Hemisphäre immer mehr an Bedeutung gewinnen, sei es wichtig, dass der neu Ordensgeneral «die unterschiedlichen Kulturen gut versteht und kulturübergreifend wirken kann», so Bürgler. «Was heisst Jesuit sein heute», das sei die zentrale Frage der mehrwöchigen Generalkongregation, die aufgrund einer intensiven Vorbereitungsphase diesmal kürzer als sonst ausfallen werde. Zudem gehe es bei den Beratungen um die Frage einer angemessen Form von Leitung – gerade bei einem Orden, in dem der Gehorsam wesentlicher Teil seiner Spiritualität ist.

Verlagerung nach Asien und Afrika

An der Generalkongregation und der Wahl eines neuen Generaloberen nehmen 215 Jesuiten aus 62 Ländern teil. Erstmals in der fast 500-jährigen Geschichte des Ordens findet diese Wahl unter einem Papst statt, der selbst Jesuit ist. Heute zählt die Gemeinschaft heute rund 16’400 Mitglieder weltweit, ca. 11’800 sind Priester. Wie bei anderen Orden auch, ging die Zahl der Mitglieder in den vergangenen Jahrzehnten stark zurück. Vor 50 Jahren, 1966, gab es noch 36’000 Jesuiten, also mehr als doppelt so viele wie heute. Das Gewicht des Ordens verlagert sich gleichzeitig nach Asien und Afrika. In beiden Kontinenten ist die Gemeinschaft im Wachstum begriffen: 63 Prozent der Novizen stammen aus dieser Region.

59 Prozent der Wähler des neuen Jesuitengenerals kommen nach Ordensangaben von der Südhalbkugel; bei der letzten Generalkongregation 2008 waren es 45 Prozent. Der Anteil der europäischen Teilnehmer sank unterdessen von 31 auf 26 Prozent. Bei der aktuellen 36. Wahlversammlung stellen die Inder die grösste Gruppe, gefolgt von den US-Amerikanern. Alle der bislang 30 Generaloberen der Jesuiten stammten aus Europa; die letzten Amtsinhaber verfügten jedoch über langjährige Erfahrungen aus anderen Kontinenten. (kna/kap)

 

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