Wie Bischöfe, Theologinnen und Ordensleute beten

Zürich, 17.9.16 (kath.ch) Die einen beten sieben mal täglich, andere nur vor dem Schlafengehen. Einige tun es in Worten, andere schweigend, in Kirchen oder auf dem Velo. Gemeinsam ist allen, dass sie mit dem Gebet zu Gott in Beziehung treten.  kath.ch hat Bischöfe, Theologinnen und Theologen sowie Ordensleute zu ihrer Gebetspraxis befragt.

Sylvia Stam

Beim Beten geht es für alle Befragten um einen Weg, um mit Gott in Beziehung zu treten. Sei dies im «Aufschauen zu Gott», wie Vitus Huonder, Bischof von Chur, formuliert, oder «Leben in der Gegenwart Gottes», wie sein Basler Kollege Felix Gmür sagt. Letzteres führt Dorothea Egger, Theologin und Shibashi-Lehrerin aus Freiburg i. Ü., noch weiter aus: «mich darin zu üben, ganz gegenwärtig zu sein, mit Leib, Seele und Geist im Hier und Jetzt anzukommen.»

Eine besondere Bedeutung hat das Beten für Anna Gamma, Mitglied im Säkularinstitut des Katharina-Werks und Zen-Meisterin aus Luzern: «Beten ist für mich mehr als das tägliche Brot, es gleicht eher dem Atem. Ich sterbe zwar nicht physisch, wenn ich nicht bete, doch in mir würde eine ganz bestimmte menschliche Qualität, die meinem Leben erst Sinn gibt, absterben.»

Erkennen, worauf es ankommt

Auch für die Kapuzinerin Elisabeth Pustelnik aus dem Kloster Leiden Christi in Jakobsbad/Gonten AI ist das Gebet etwas sehr Kostbares: «Im Gebet darf ich mich ganz Gott schenken, und nicht nur das: Auch er schenkt sich mir!»

Von der immer wieder neuen Suche nach «ungeteilter Aufmerksamkeit für Gott» spricht Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, mit den Worten der französischen Philosophin Simone Weil. «Im Alltag springt meine Aufmerksamkeit oft rasch von einem zum anderen. Ich bin in unzählige Themen, Aktivitäten und Kommunikationssituationen verwickelt.» Entsprechend gehe es beim Beten darum, sich zu sammeln. Wenn dies gelinge, so könne das seine Sicht auf Dinge verändern: «Ich erkenne klarer, worauf es ankommt, was wirklich zählt, worum es in der Tiefe geht.»

Wie und wo wird gebetet?

Sind in der Bedeutung des Gebets deutlich Ähnlichkeiten zu erkennen, so zeigt die konkrete Gebetspraxis der Befragten eine ungeheure Vielfalt: «Ich bete mit Worten der Bibel, mit Liedern, besonders mit den Gesängen von Taizé, manchmal bete ich einen Teil des Rosenkranzes oder ich bete einfach mit dem Namen «Jesus», sagt Sabine Lustenberger, Oberin im Kapuzinerinnenkloster Stans.

So vielfältige Gebetsformen wie sie kennen auch andere: «sprechend, singend, mit vorgegebenen oder eigenen Worten, klar oder stammelnd, immer neu, wiederholend», lauten nur einige der Gebetsformen von Bischof Felix Gmür. Und auch Bischof Vitus Huonder betet je nach Umständen «schweigend, sprechend oder singend».

Auf diese Weise kann an verschiedensten Orten gebetet werden: In Kirchen, Kapellen und Kathedralen, aber auch «auf dem Velo, im Zug» (Felix Gmür), «auf dem Friedhof» (Vitus Huonder) oder «am Tisch, zu Beginn von Sitzungen» (Daniel Kosch).

Schweigen und Körpergebet

Für die Zen-Meisterin Anna Gamma ist das tägliche «Sitzen in Stille» eine wichtige Form des Gebets: «Ich will sitzen und will schweigen und hören, was Gott in mir rede», zitiert sie den deutschen Mystiker Meister Eckehart. Anna Gamma, die in einer spirituellen Wohngemeinschaft lebt, «sitzt» nach Möglichkeit morgens und abends, sie empfindet diese Stille als «wahre Wohltat für Geist und Körper».

Dorothea Egger praktiziert Shibashi, ein Gebet mit dem Körper: «Ausgerichtet auf die göttliche Gegenwart werden bewusst gelebte Körperhaltungen und -bewegungen zu einem Gebet, das oft mehr ausdrückt als viele Worte.»

Psalmen

Die klösterliche Tradition kennt das Stundengebet: Elisabeth Pustelnik spricht von sieben festen Gebetszeiten, Sabine Lustenberger von vier, hinzu kommen persönliche Gebetszeiten wie etwa die Anbetungszeit. Im Stundengebet würden Psalmen gebetet oder Lesungen aus dem ersten und zweiten Testament gehört.  »Es gibt Psalmen, die ich sehr gerne bete», so Lustenberger, «mit anderen habe ich Mühe.» Doch auch in diesen «kommt Menschliches zu Wort. Und da stimme ich mit ein». Psalmen beten jedoch nicht nur Ordensleute, auch die beiden Bischöfe und Daniel Kosch erwähnen diese Gebetstexte.

Bitten und Danken

Es komme auch vor, dass jemand die Schwestern um ein Gebet bitte, erzählt Elisabeth Pustelnik. «Dann tragen wir dies im Herzen und in Gedanken mit. Wir halten auch regelmässig Heilige Messen für alle empfohlenen Anliegen».

Dass Beten auch Danken heissen kann, erwähnt Anna Gamma: «Beginn zu danken. Danke für diesen Tag und für dein Leben», zitiert sie einen früheren spirituellen Begleiter, der sie durch eine dunkle Zeit in ihrem Leben führte. «Den Tag mit diesen Worten zu beginnen und vor dem Einschlafen abzuschliessen, kann Wunder bewirken!»

 

 

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https://www.kath.ch/newsd/gebetspraxis-beten-ist-mehr-als-das-taegliche-brot/