Pro und Contra zweier Politikerinnen zur Initiative «AHVplus»

Zürich, 13.9.16 (kath.ch) Am 25. September stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV» ab. Die Volksinitiative verlangt, alle laufenden und künftigen AHV-Altersrenten um zehn Prozent zu erhöhen. Für kath.ch legen die beiden Katholikinnen Monika Küng, Grossrätin im Aargau (Pro), und Barbara Schmid-Federer, Zürcher Nationalrätin (Contra), ihre Meinung zur Abstimmungsvorlage dar.

 

PRO:

Aha! Ja zur AHV-Initiative!

Monika Küng*

Die AHV ist eine Versicherung, die Generationen verbindet. Mit diesem Umlageverfahren zahle ich als Lohnempfängerin heute für die zurzeit pensionierten Menschen, und zwar nicht einfach für meine Eltern und Verwandten, sondern auch für Leute, die keine Kinder haben, für Leute die ich gar nicht persönlich kenne, mit denen ich aber eben als Teil der Zivilgesellschaft zusammenlebe.

Mit meinen Beiträgen sorge ich also für den Lebensunterhalt der Menschen, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind. Ein Generationenvertrag. Die Arbeitenden übernehmen Verantwortung für die alten Menschen, ich bezahle, damit die jetzt pensionierten Menschen ein Einkommen erhalten.

Die AHV-Initiative will dieses «Verantwortung übernehmen» stärken. Die AHV ist ein grossartiges Versicherungswerk, das zum Funktionieren einer friedlichen, lebensbejahenden Gesellschaft wesentlich beiträgt. Die Initiative fordert eine Erhöhung der Altersrenten um zehn Prozent, weil diese seit 40 Jahren nicht mehr angepasst wurden. Es braucht natürlich dafür eine moderate Erhöhung der Lohnnebenkosten. Das ist gut verträglich, vorgeschlagen sind 4,6 Prozent.

Bei der AHV werden den Eltern Erziehungsgutschriften gemacht. Dies hilft vor allem auch Frauen, die wegen Mutterschaft, Kinderbetreuung und Erziehungsarbeit Erwerbsausfälle in Kauf nehmen müssen und deshalb nur kleine Pensionskassengelder zurücklegen können.

Die Pensionskassen sind im Unterschied zur AHV wie Sparbücher organisiert: Jede Person spart für sich selbst. Sehr schön, wenn das gelingt, aber für Leute mit kleinen Einkommen ist diese Altersvorsorge oft nicht möglich, eben vor allem, wenn Kinder da sind, aber auch in Zeiten der Negativzinsen. Die AHV, das soziale Altersvorsorgewerk hingegen, ist nicht anfällig auf schwankende Hochfinanzmärkte. Ein Ja zur Initiative lohnt sich für alle.

* Monika Küng ist Mitglied der Grünen und seit 2008 Grossrätin im Kanton Aargau für die Gemeinde Wohlen. Sie ist Präsidentin des Institutsrats des Sozialinstituts der «Katholischen ArbeiterInnen-Bewegung» der Schweiz KAB. Küng ist verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern und einem Pflegekind.

 

CONTRA:

AHV plus ist verantwortungslos

Barbara Schmid-Federer*

Bundesrat und Parlament beraten seit 5 Jahren die Reform «Altersvorsorge 2020». Ziel dieser Reform ist es, die AHV und die berufliche Vorsorge zu stabilisieren. Diese Reform muss gelingen, daran kommen wir nicht vorbei. Sie gelingt aber nur, wenn Linke und Rechte von ihren Maximalforderungen absehen: Kein «AHV plus» und kein «Rentenalter 67». Die CVP ist sehr darum bemüht, weitere Kompromisse zu suchen. Da die AHV-Initiative die Reform gefährdet, erachte ich sie als verantwortungslos.

Die steigende Lebenserwartung fordert unser Vorsorgesystem heraus. Immer weniger junge Erwerbstätige müssen immer mehr Renten finanzieren. Bereits 2014 hat die AHV rote Zahlen geschrieben. Werden keine Gegenmassnahmen ergriffen, fehlen bis 2030 jährlich 7,5 Milliarden Franken. Mit der Initiative wären es gar 12,5 Milliarden Franken. «AHVplus» gräbt das Finanzierungsloch noch tiefer, das ist verantwortungslos.

Die Initiative verbessert die Situation der Senorinnen und Senioren mit tiefen Einkommen nicht. Denn viele würden den Anspruch auf Ergänzungsleistungen verlieren. Durch diese Mehrbelastung hätten sie weniger im Portemonnaie als zuvor. Das ist schlecht investiertes Geld auf Kosten der jungen Generation.

Die Gewerkschaften schlagen vor, die zusätzlichen Kosten mit höheren Lohnbeiträgen zu decken. Ab sofort müssten Arbeitgebende und Arbeitnehmende je 0,4 Prozent mehr einbezahlen. Arbeitnehmende hätten also weniger im Portemonnaie als heute. Dies wäre vor allem für Personen mit tiefen Einkommen belastend. Schon jetzt gilt: In keinem Land sind die Lohnabzüge für die Sozialversicherungen derart hoch wie in der Schweiz.

Verantwortung aus christlicher Sicht heisst für mich, in demokratischem Prozess ausgehandelte Kompromisse für eine generationenübergreifende Solidarität zugunsten der schwächeren Mitglieder einer Gesellschaft nicht zu gefährden. Deshalb lehne ich die AHV-Initiative ab.

*Barbara Schmid-Federer ist Mitglied der CVP und seit 2007 Nationalrätin für den Kanton Zürich. Seit 2011 ist sie Präsidentin des Schweizerischen Roten Kreuzes Zürich. Schmid-Federer ist verheiratet und Mutter zweier Söhne.

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