«Die Kopfbedeckung ist nicht der entscheidende Punkt»

Zürich, 12.8.16 (kath.ch) Der Sekretär des Interreligiösen Runden Tisches im Kanton Zürich, Philippe Dätwyler, findet es überraschend, aber nicht belastend, dass Regierungsrat Mario Fehr das Burkaverbot öffentlich begrüsst hat. Wichtiger sei dann, wie die Debatte im Vorfeld der Abstimmung zum Burkaverbot geführt werde. Dätwyler befürchtet einen Kulturkampf, der den interreligiösen Dialog vergifte.

Regula Pfeifer

Das Burkaverbot sei ein kompletter Nebenschauplatz, sagt Dätwyler. Der Sekretär des Interreligiösen Runden Tisches im Kanton Zürich ist bei der Reformierten Kirche des Kantons Zürich zuständig für Beziehungen und den interreligiösen Dialog. Der Interreligiöse Runde Tisch habe die Burkaverbotsinitiative bisher noch nicht diskutiert. Er könne deshalb nur seine persönliche Meinung äussern.

Obwohl die Burkafrage quantitativ unbedeutend sei, «ist diese Initiative nicht ungefährlich», sagt Dätwyler. Denn: «Es gibt Leute, die Burka sagen, aber Islam meinen.» Schon bei der Minarettabstimmung sei dies so gelaufen: «Da gab es viel unfaire Polemik und Unterstellungen am laufenden Band. Die Islamfeindlichkeit ist so bewusst geschürt worden.» So etwas vergifte den religiösen Frieden.

Bei den Muslimen habe das damals Irritationen, Ärger und Ängste ausgelöst. Das habe die Radikalisierung geradezu befördert. Es sei kein Zufall, dass der fundamentalistische Verein «Islamischer Zentralrat» im Umfeld der Minarettabstimmung gegründet worden sei. Junge Muslime hätten damals gefunden, die etablierten muslimischen Verbände würden sich zu wenig für die Interessen der Muslime einsetzen.

Stigmatisierung fördert Radikalisierung

Diese Erfahrung müsste laut Dätwyler zu denken geben. «Wer vorgibt, radikale Tendenzen innerhalb des Islams zu bekämpfen und dabei alle Muslime stigmatisiert und unter Generalverdacht stellt, der fördert die Radikalisierung auf paradoxe und fahrlässige Weise.»

Der Vertreter der reformierten Kirche gibt zu: Mir gefallen Burkaträgerinnen auch nicht. Sie sind wirklich eine Hypothek – nicht nur fürs Auge.» Sie seien auch eine Hypothek für die aufgeschlossenen Musliminnen und Muslime. Denn dadurch komme der ganze Islam in Misskredit. Zu einer liberalen Gesellschaft gehört aber laut Dätwyler, «dass man Sachen aushält, die einem überhaupt nicht gefallen.»

Warum dieser ganze Krieg um Textilien, fragt sich der im interreligiösen Dialog engagierte Reformierte. «Die Kopfbedeckung ist doch nicht der entscheidende Punkt», findet Dätwyler. Entscheidend sei das, was im Kopf drinnen ist. Wenn das Denken kontaminiert sei, müsse man das bekämpfen. «Aber dies geht nicht mit Verboten von Äusserlichkeiten.»

Runder Tisch wendet sich gegen Fundamentalismus

Der Interreligiöse Runde Tisch im Kanton Zürich befasst sich laut seinem Sekretär vor allem mit gemeinsamen Anliegen der Religionsgemeinschaften. Der Runde Tisch stehe für Toleranz und Religionsfreiheit ein und wende sich gegen fundamentalistische Strömungen innerhalb der Religionen. Es gebe heute aber leider auch einen zunehmenden «fundamentalistischen Säkularismus», so Dätwyler. Dies habe sich etwa bei der heftigen Debatte um die bei Juden und Muslimen praktizierte Beschneidung von Jungen gezeigt.

Der Runde Tisch hat sich auch mehrfach mit dem Zürcher Schulfach «Religion und Kultur» beschäftigt. Und 2013 hat er beim damaligen Bundesamt für Migration angeregt, die bisher ausschliesslich christliche Seelsorge in den Bundesasylzentren um eine muslimische Seelsorge zu erweitern. Am 1. Juli startete ein Pilotversuch dazu im Asylzentrum Juch in Zürich. (rp)
Weitere Infos: www.rundertisch.ch

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