Diener zweier Herren – Erzbischof Georg Gänswein wird 60

Rom, 30.7.16 (kath.ch) Auf niemanden im Vatikan passt die Bezeichnung «Diener zweier Herren» besser als auf ihn: Georg Gänswein. Als Privatsekretär von Benedikt XVI. (2005-2013) steht er dem emeritierten Papst so nahe wie kein anderer. Zugleich arbeitet er als Präfekt des Päpstlichen Hauses für Papst Franziskus als eine Art Protokollchef. Als «Mann fürs Offizielle» sozusagen.

Thomas Jansen

Wie kein anderer schafft es Georg Gänswein, in der kirchenpolitischen Debatte ebenso präsent zu sein wie in den Boulevardblättern: Einmal kritisiert er den Umgang mit Kirchenaustritten in Deutschland, ein anderes Mal berichtet er von seiner Jugendliebe. Am 30. Juli feiert der auch als «Georg Clooney des Vatikan» bekannte Kurienerzbischof aus dem Schwarzwald seinen 60. Geburtstag.

An der Seite von Joseph Ratzinger

Gänsweins Werdegang ist untrennbar mit Benedikt XVI. verbunden. Dessen Rücktritt 2013 war einer der tiefsten Einschnitte in seinem Leben. Seit 1986 hatte der in Riedern am Wald aufgewachsene Priester des Erzbistums Freiburg für den damaligen Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger gearbeitet, seit 2003 als dessen Privatsekretär. In den Vatikan gekommen war er 1985 als Mitarbeiter der Gottesdienstkongregation.

Er versuchte, Benedikt vom Rücktritt abzubringen

Freimütig bekannte Gänswein, dass er zunächst versucht habe, Benedikt XVI. von seinem Entschluss zum Rücktritt abzubringen. Wie schwer es ihm fiel, zu akzeptieren, dass «sein» Papst jetzt «Papa emeritus» ist, hat er in zahlreichen Interviews berichtet.

Nicht mehr im engsten Kreis

Auch mit der spontanen Art des argentinischen Papstes zurechtzukommen, fiel Gänswein anfangs nicht leicht, wie er selbst sagt. Gewöhnen musste er sich wohl ebenfalls daran, dass er nun weniger Einfluss hat. Früher war er nach eigenen Worten der «Schneepflug», der Benedikt XVI. vor der täglichen Lawine von Anfragen schützte. Er entschied darüber, wer zum Papst vorgelassen wurde. Unter Franziskus zählt er nicht mehr zum Kreis der engsten Vertrauten.

Als Präfekt des Päpstlichen Hauses ist Gänswein für die offiziellen Termine verantwortlich, die der Papst vormittags im Apostolischen Palast absolviert: für die Begegnungen mit Staatsmännern, Kardinälen und sonstigen Gästen. Kurz vor seinem Rücktritt hatte Benedikt XVI. seinen treuen Weggefährten in diese ranghohe Position befördert, die mit der Weihe zum Titularerzbischof verbunden ist. Franziskus beliess Gänswein in diesem Amt, suchte sich jedoch neue Privatsekretäre.

Als «Rechtsaussen» abgestempelt

Gänswein ist ein Mann, der häufig offen ausspricht, was er denkt: So meldet er sich regelmässig zu kirchenpolitischen Themen zu Wort. Zuletzt kritisierte er etwa die automatische Exkommunikation bei Kirchenaustritten. Dass er sich mit solchen Einwürfen nicht nur Freunde macht, nimmt er in Kauf.

Er selbst rechnet offenbar nicht damit, je Bischof in Deutschland zu werden, wie bisweilen spekuliert wird. Ihn werde wohl kein deutsches Domkapitel wählen, was ihm jedoch nicht weh tue, so Gänswein jüngst: «Es ist irgendwie gelungen, mich in der Öffentlichkeit als Rechtsaussen oder Hardliner abzustempeln.» Er gehöre eben nicht zu den Lieblingen des «kirchlichen Establishments».

Ein Liebling des Boulevards

Zu den Lieblingen der Boulevardpresse gehört «Don Giorgio» in jedem Fall. «George Clooney des Vatikan» nennt sie ihn auch. Im Januar 2013 zierte der sportliche und jugendlich wirkende Geistliche gar die Titelseite der Zeitschrift «Vanity Fair». Die Unterschrift: «Schön sein ist keine Sünde».

Mit besten Chancen zum Frauenschwarm

Gänswein fasziniert den Boulevard offenbar auch, weil er für diese Blätter einen Typus verkörpert, dessen Aussterben oft beklagt wird: ein charmanter Mann, dem beste Chancen zum Frauenschwarm und das Zeug zum Chefarzt oder Staranwalt zugetraut werden – und der darauf verzichtet, um Priester zu sein.

Seinen 60. Geburtstag feiert Gänswein im kleinen Kreis in den Vatikanischen Gärten mit seinen vier jüngeren Geschwistern und Freunden. Benedikt XVI. und Franziskus kommen nicht. – Zumindest für einige Stunden wird er dann sein eigener Herr sein. (kna)

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