«Junge Katholiken der Generation Y sehnen sich nach Heimat»

Basel, 17.7.16 (kath.ch) Anbetung, Mundkommunion, Beichte – Viele junge Katholiken kehren heute zu Formen zurück, von denen sich die Konzilsgeneration befreit hatte.  Was diese gern als Protest deutet, ist für Beat Altenbach viel eher Ausdruck einer Sehnsucht nach Beheimatung. Der Jesuit plädiert daher für einen Dialog mit dieser Generation, statt über sie.

Sylvia Stam

Was reizt junge Katholiken an traditionellen Formen wie der Eucharistiefeier?

Beat Altenbach: Da muss man bei ihren Sehnsüchten ansetzen. Die Jungen dieser Generation haben eine Sehnsucht nach authentischen, sinnlichen Erfahrungen. Das ist ein Grund, warum feierliche Liturgien mit Weihrauch und Gewändern für sie von Bedeutung sind. Dabei ist der Ritual-Charakter wichtig: Rituale schaffen ein Stück Heimat, lautet eine meiner Thesen. Eines der Charakteristika dieser Generation ist die Sehnsucht nach Heimat, obschon oder gerade weil sie in der ganzen Welt herumjetten.

Und das Ritual kann diese Heimat bieten?

Altenbach: Ja. Die Eucharistiefeier hat eine gewisse Sinnlichkeit und Ordnung. Junge Katholiken haben mir schon erzählt, sie könnten im Ausland in eine Messe gehen und sie verstünden die Liturgie, auch ohne die Worte zu verstehen. Sie sind daheim in dem, was gefeiert wird.

«Sie sind daheim in dem, was gefeiert wird.»

Warum knien viele junge Katholiken wieder gerne nieder?

Altenbach: Ich glaube, dabei geht es um eine gewisse Ehrfurcht. Das Niederknien, ebenso wie die Mundkommunion oder die Anbetung, interpretiere ich als einen Ausdruck des Bedürfnisses nach dem Heiligen.

Hat diese Generation denn ein besonderes Bedürfnis nach dem Heiligen?

Altenbach: Wir leben in einer Welt, die extrem im Wandel ist: Was gestern galt, gilt heute schon nicht mehr. Darüber hinaus ist alles für jeden verfügbar, konsumierbar, kaufbar. Im Bereich des Glaubens sehnen sich darum viele nach dem Heiligen: Das, was ihnen von Gott her begegnet, soll nicht einfach für jeden beliebig verfügbar sein. Da kommt für mich der Begriff Ehrfurcht ins Spiel: Knien, Mundkommunion oder Anbetung sind Ausdruck der Ehrfurcht vor dem, was unverfügbar ist und was auch unverfügbar sein muss.

«Knien, Mundkommunion oder Anbetung sind Ausdruck der Ehrfurcht.»

Verbirgt sich hinter diesem Bedürfnis nach traditionellen Formen auch eine konservative Werthaltung?

Altenbach: Nicht zwingend. Natürlich gibt es überall Fundamentalisten, aber die meisten jungen Erwachsenen, mit denen ich zu tun habe, finden die Kirche schrecklich konservativ in ihren Ansichten. Ihre Ehrfurcht vor dem Heiligen heisst nicht unbedingt, dass sie alles glauben und unterstützen, was Priester und die Kirche sagen. Hinter der äusseren Ausdrucksform verbirgt sich durchaus eine Pluralität von Inhalten. Personalisierung ist ja auch ein Kennzeichen der Generation Y.

Warum gehen junge Katholiken wieder vermehrt beichten?

Altenbach: Diese jungen Leute haben die Beichte als einen Raum entdeckt, wo sie ihre Anliegen und innere Not in einem geschützten Rahmen deponieren können und Zuspruch bekommen. Der Zuspruch und das Gesegnet-Werden sind für sie eine wichtige Erfahrung.

Für die Konzilsgeneration dürfte das Verhalten der Generation Y eine grosse Herausforderung sein.

Altenbach: Bei der älteren Generation führt es immer wieder zu sehr emotionalen Diskussionen, wenn ich zu erklären versuche, warum junge Katholiken gern eucharistische Anbetung machen. Wir haben es hier mit einem Paradigmenwechsel zu tun: Die Generation der Grosseltern hat Kirche noch als etwas Autoritäres erlebt, wo beispielweise Normen von Klerikern aufgedrängt wurden. Mit dem Konzil kam dann die grosse Befreiung: Nun musste man nicht mehr beichten gehen und den Priester nicht mehr auf ein Podest stellen. Doch für die Jungen ist das nicht mehr der Fall, weil ihre Erfahrung von Kirche eine komplett andere ist.

Dann geht es also nicht um Rebellion gegen die frühere Generation?

Altenbach: Wir greifen zu kurz, wenn wir uns skandalisiert abwenden und diese Situation als Generationenrebellion lesen. Es handelt sich um völlig unterschiedliche Wahrnehmungsweisen von Wirklichkeit aufgrund völlig unterschiedlicher Bedürfnisse. Wenn wir hierüber nicht nachdenken, sind die Generationen permanent miteinander im Konflikt. Wir müssen aus den alten Deutungsschemen hinauskommen. Sonst verlieren wir jene jungen Erwachsenen, die heute noch in der Kirche engagiert sind.

«Wir greifen zu kurz, wenn wir uns skandalisiert abwenden.»

Wie kann dieser Dialog zwischen den Generationen gelingen?

Altenbach: Wir müssen den Kontakt zu den Jungen suchen. Ihnen ohne Vorurteile zuhören und zu verstehen versuchen, warum sie sich so verhalten. Wir haben immer den Reflex zu fragen: Was kann die Kirche machen, um die Jungen zu erreichen? Dabei haben die Jungen die Lösungen selber in der Hand.

Gleichzeitig braucht es auch Mut zur Entschiedenheit im Eigenen. Man braucht nicht alles gut zu finden.  Mich berührt es auch komisch, wenn das Allerheiligste im Scheinwerferlicht in einer Monstranz hereingetragen wird. Gleichzeitig berührt mich die tiefe Sehnsucht und Freude, die ich dabei bei jungen Christen erlebe. (sys)

Beat Altenbach (51) ist Jesuit, Priester und promovierter Chemiker. Er war Leiter der Hochschulseelsorge in Zürich und des Exerzitien- und Bildungshauses «Notre Dame de la Route» in Freiburg i. Ü. Aktuell ist er verantwortlich für die Berufungspastoral der Schweizer Jesuiten.

 

 

 

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