Krise statt Aufbruch – das orthodoxe Konzil vor einem Scherbenhaufen

Moskau, 14.6.16 (kath.ch) Wenige Tage vor der für Sonntag einberufenen «Heiligen und Grossen Synode» ihrer 14 eigenständigen Nationalkirchen steht die orthodoxe Kirchenfamilie vor einem Scherbenhaufen. Nach der kurzfristigen Absage der russisch-orthodoxen Kirche für das Konzil auf der griechischen Insel Kreta streiten die Patriarchate von Moskau und Konstantinopel über die Konsequenzen.

Oliver Hinz

Noch Ende Januar schienen sich 13 der 14 Kirchen völlig einig zu sein, mit der vom 19. bis 26. Juni geplanten Synode die Einheit der Orthodoxie zu stärken. Damals verständigten sie sich in der Schweiz auf sechs Textvorlagen für die Synode, etwa zum Verhältnis zu den anderen christlichen Konfessionen. Doch nun werten die Kirchen von Russland, Georgien, Bulgarien, Serbien und Antiochien das Konzil vor allem als Gefahr statt als Chance für den orthodoxen Zusammenhalt.

Dominoeffekt

Die Absage aus Sofia am 1. Juni löste einen Dominoeffekt aus. Vier weitere Kirchen machten seither einen Rückzieher. Sie argumentieren, angesichts der immensen Meinungsverschiedenheiten löse die Synode nicht die Probleme, sondern drohe sie sogar zu vergrössern. Das Treffen könne zu einer Teilung der orthodoxen Kirche beitragen.

Dem obersten Leitungsgremium des Moskauer Patriarchats, dem Heiligen Synod mit Patriarch Kyrill I. an der Spitze, ging es bei seiner Entscheidung vom Montag, 13. Juni, nach eigenen Angaben nur um Schadensbegrenzung. Es sei zu fragen, ob die Absage des Konzils oder aber seine Durchführung trotz ungelöster Streitfragen und der Teilnahme-Verweigerung durch mehrere Kirchen schlimmer sei. Für die russische Orthodoxie schien dann die Verschiebung auf unbestimmte Zeit doch das Bessere.

Zuwarten statt «Rumpfkonzil»

Sollte Konstantinopel an dem Notfallplan einer Rumpfsynode festhalten, betrachte Moskau die Teilnahme ihrer Delegation «mit tiefem Bedauern als unmöglich», heisst es in dem Beschluss. Das Konzil solle so lange verschoben werden, bis «die unabdingbare Voraussetzung erfüllt ist, dass die Vorsteher aller allgemein anerkannten eigenständigen orthodoxen Kirchen mit ihm einverstanden sind».

Zugleich ruft das Moskauer Patriarchat dazu auf, alle Hindernisse für ein Konzil zu beseitigen, damit dieses ein «echter Beweis der Einheit» der orthodoxen Kirche werde. Der Moskauer Religionswissenschaftler Roman Silantjew verkniff sich Häme über den Misserfolg des federführenden Patriarchats von Konstantinopel bei der Konzilsplanung nicht. Das Konzil sei gescheitert, sagte er. «Es ist sogar gut, dass sich das proamerikanische Patriarchat von Konstantinopel auf diese Weise selbst diskreditiert hat.» Statt Konstantinopel solle nun Moskau die Synode vorbereiten.

Russland versteht sich als Retter

Konstantinopel und die Kirchen von Zypern und Albanien hatten in den vergangenen Tagen eindringlich zur Teilnahme auf Kreta aufgerufen. Russlands Kirchenspitze sieht sich allerdings keineswegs als Verhinderer des Konzils, sondern als kluger Moderator, der die Orthodoxie einen wolle und versucht habe, das Konzil zu retten.

Patriarch Kyrill I. kritisierte bei der Sondersitzung in Moskau das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, weil dieses den russischen Vorschlag abgelehnt habe, noch vor dem Konzil ein Sondertreffen aller orthodoxen Kirchen abzuhalten. Bei diesem hätten die Probleme beseitigt werden sollen, wegen der eine «Reihe von Kirchen» ihre Teilnahme abgesagt hätten, so das Kirchenoberhaupt. Den Schwarzen Peter für die jetzige Krise der Orthodoxie schiebt Moskau damit Konstantinopel zu, das die Bedenken der einzelnen orthodoxen Kirchen nicht ernst genommen habe.

Die Krise um das Konzil verschärft den Machtkampf zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel. Der Aussenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, nannte die Entwicklung trotzdem «nicht katastrophal». Schliesslich war der bislang letzte Schachzug ein russischer. (kna)

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