Priorhaus in Romainmôtier VD: Die Schlossherrin

Über 1000 Priorhäuser beherbergten im Mittelalter die Adligen auf ihren Pilgerreisen.
Dank Katharina von Arx blieb in Romainmôtier das wohl letzte erhalten.

Aus dem anfänglichen Flirt wurde eine lebenslange Leidenschaft: Das wuchtige, steinerne Priorhaus in Romainmôtier VD, das früher zur Abtei gehörte, wird Katharina von Arx (81) nie mehr loslassen. Dabei wollte sie damals nur einen kleinen Ausflug machen. 1959 war es, als Katharina von Arx mit ihrem Mann Frédéric Drilhon über Land fährt und am verschneiten Jurafuss das romantische, von der Zeit vergessene Dorf Romainmôtier entdeckt. Das junge Schriftstellerpaar besichtigt die Abtei aus dem 11. Jahrhundert und erkundigt sich beim Kirchenwart nach einem freien Haus. Die beiden werden demnächst Eltern und wollen ihrem Kind ein behagliches Daheim bieten.

Sie suchten ein Haus und kauften ein Schloss

«Da, das Schloss ist zu haben», meint der Kirchenwart mit einem spöttischen Unterton und zeigt auf ein altes Gemäuer im Klosterhof. Vorsichtig schleichen sie durch das baufällige Haus und sind sofort begeistert – von der wuchtigen Säule im Erdgeschoss, von den riesigen Räumen, den hohen Steinkaminen. Hier wollen sie bleiben. Romantisch ist es, mit einem verwunschenen Garten und einem Hausteil, der sich über das Flüsschen Nozon schwingt. Dass das Ehepaar einen Winter später mitten im eiskalten Bachbett stehen und verzweifelt versuchen würde, mit Feuer das beinhart gefrorene Wasser in den brandneuen, darüberliegenden Badezimmerrohren zu schmelzen, das ahnt es nicht. Den Kaufpreis von 48000 Franken leihen sich die beiden teilweise bei Freunden, und Frédéric Drilhon veranschlagt die Renovationskosten auf 5000 Franken. Sie schlagen die Gipsdecke runter, weisseln dunkle Wände, putzen und schruppen und bauen in den Hausteil über dem Flüsschen besagtes Badezimmer. Die Arbeiten nehmen kein Ende, die Mittel werden knapp. Ihr Vermögen beträgt inzwischen noch 15 Franken, die Sanitärrechnung 76 Franken – nur ein Problem unter vielen. Eigentlich müssten sie wie am Fliessband schreiben, um genug zu verdienen. Das grosse Haus verschlingt Geld, Energie und Zeit. Doch es erwacht aus seinem Dornröschenschlaf: Die Hausbesitzer entdecken Spuren aus dem Mittelalter, rätseln nächtelang über die Geschichte des Hauses. Beim Putzen des Dachstocks stösst Katharina von Arx auf bunte Fresken von Moses und dessen Volk – nun wird es ihr unheimlich, sie schaltet die Denkmalpflege ein. Das Geheimnis beginnt sich zu lüften, als die Behörde entdeckt, was für ein Juwel vor ihnen liegt.

Eines der letzten erhaltenen Priorhäuser

Das Priorhaus stammt aus der Zeit um 1280, als die Abtei an einer Hauptverkehrsachse lag. In den Sälen erholten sich die Adligen von ihrer Pilgerreise, und 1501 wurde hier sogar die Hochzeit von Margaretha, der Tochter Kaiser Maximilians von Österreich, mit Philibert von Savoyen gefeiert. Im Mittelalter gab es europaweit rund 1000 solcher Nobelherbergen. Das Haus von Romainmôtier ist wohl das Letzte, das noch steht, und soll möglichst originalgetreu erhalten bleiben. Der Weg dahin ist steinig, die Denkmalpflege unerbittlich. Um die Grandezza der alten Säle zu erhalten, muss Katharina von Arx ihre liebevoll renovierte Wohnung abbrechen, ebenso das Badezimmer, das sie in wochenlanger Fronarbeit eigenhändig geplättelt hat. Die Säle sollen wieder offen über die gesamte Breite des Hauses gehen. Katharina von Arx nimmt es auf sich, sie liebt das Haus. Der Dank? Ein neuer Kostenvoranschlag von der Denkmalpflege über die Kleinigkeit von 219000 Franken. Die jungen Besitzer rechnen aus, dass sie 400 Jahre lang schreiben müssten, um diese Summe aufzubringen. Ihre Tochter gibt Katharina von Arx tagsüber zu einer Nachbarin. Zu gefährlich ist das Haus mit den Schuttkegeln, frei gelegten Balken, Löchern im Boden. Staub legt sich auf Papier, Betten und Lebensmittel.Umdie Kosten zu senken, karrt sie selber tonnenweise Schutt ausdemHaus, schabt im Winter alte Tapeten von den Wänden, bis sie Frostbeulen an den Händen hat. Ihr Mann verdient derweil in Paris und London das nötige Kleingeld. Die Denkmalpflege hilft finanziell, wo sie kann, ein netter Bankier ebenso. Handwerker gehen ein und aus, die Fassade wird renoviert, alte Steinplatten transferiert – es hört nicht auf. Und es kostet. 1967 gründet sie mit dem Schweizerischen Arbeitgeberverband eine Stiftung, welche die Renovation mitträgt. Und heute? Das alte Priorhaus ist öffentlich zugänglich und für Anlässe zu mieten. «Die Mühe hat sich gelohnt, das Haus lebt», meint Katharina von Arx zufrieden, «ich freue mich über jedes Fest, das in den Hallen gefeiert wird.»
Ruth Gassmann
Bericht über das Renovationsabenteuer: Katharina von Arx, «Mein Luftschloss auf Erden», Edition Erpf www.eventsetsaveurs.ch

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