Fortpflanzungsmedizingesetz birgt Chancen und Gefahren

Zürich, 30.5.16 (kath.ch) Bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten ist die Meinung der Schweizer Stimmbürger zur Fortpflanzungsmedizin gefragt. Am 14. Juni vergangenen Jahres sprachen sich 61,9 Prozent der Stimmenden für die grundsätzliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) und damit für Gentests an Embryonen aus. Die Anwendung des Verfahrens regelt das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz, über das am kommenden Sonntag, 5. Juni, abgestimmt wird. Gegner haben das Referendum ergriffen.

Barbara Ludwig

Mit dem geänderten Gesetz dürfen Paare mit einer schweren Erbkrankheit und Paare, die ohne künstliche Befruchtung keine Kinder bekommen können, die PID in Anspruch nehmen. Letztere erhalten zudem die Möglichkeit, ihre Embryonen vor der Übertragung in den Mutterleib auf Chromosomenstörungen untersuchen zu lassen: Damit können etwa Embryonen mit dem Down-Syndrom ausgesondert werden. Das Gesetz erlaubt weiter, dass maximal zwölf Embryonen pro Behandlungszyklus statt nur drei erzeugt werden dürfen.

Optimierung der Fortpflanzungsmedizin

Für die Befürworter des Gesetzes fällt vor allem die Optimierung der Fortpflanzungsmedizin ins Gewicht. Das Gesetz verringere die Risiken für Frau und Kind bei der Anwendung der künstlichen Befruchtung, argumentieren sie. Sie halten die aktuelle Praxis für ungenügend, weil zu viele künstliche Befruchtungen erfolglos bleiben und es wegen des Zwangs zur Einpflanzung aller Embryonen zu unerwünschten Mehrlingsschwangerschaften kommt. Unterstützt werden die Befürworter von Politikern aus den Reihen von SP, Grünen, Grünliberalen, CVP, BDP, FDP und SVP.

Viele Parteien sind allerdings in der Frage gespalten. So haben SP und Grüne Stimmfreigabe beschlossen. Bei der CVP haben die Delegierten die Ja-Parole herausgegeben, eine starke Minderheit stellte sich aber gegen das Gesetz, und auch der neue Parteipräsident Gerhard Pfister gehört zu dessen Gegnern.

Angst vor Entsolidarisierung

Hinter dem Referendum stehen Politiker aus allen Parteien, mit Ausnahme von FDP und Grünliberalen. Diese wollen eine «flächendeckende willkürliche» Anwendung der PID verhindern. Die Änderungen des Gesetzes gehen aus ihrer Sicht zu weit. Das überparteiliche Komitee «Nein zu diesem Fortpflanzungsmedizingesetz» warnte deshalb vor einer Diskriminierung von Behinderten und einer «schleichenden Entsolidarisierung» der Gesellschaft. Schützenhilfe bekommen die Gegner von verschiedenen Behindertenorganisationen, darunter Insieme Schweiz, die Dachorganisation der Elternvereine für Menschen mit einer geistigen Behinderung.

Kirchen halten Selektion für problematisch

Auch die Kirchen äusserten sich kritisch. Die Schweizer Bischöfe halten an ihrer Ablehnung der PID fest. Aus Sicht ihrer Bioethik-Kommission bestätigt die Entwicklung des Gesetzesvorschlags das «Argument der schiefen Ebene». Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates aus dem Jahr 2013 sehe das revidierte Gesetz eine deutlich erweiterte Einführung der PID vor, stellte die Kommission fest. Es sei «illusorisch anzunehmen, dass man an diesem Punkt einen Schlussstrich ziehen wird». Ebenso wie die bischöfliche Kommission hält auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) die Selektion von Embryonen für problematisch. Es müsse sichergestellt werden, dass die PID nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werde, findet der SEK. (bal)

 

 

 

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https://www.kath.ch/newsd/abstimmung-vom-5-juni-kuenstliche-fortpflanzung-optimieren-oder-behinderte-vor-diskriminierung-schuetzen/