Infosekta: Wo bleibt Religionsfreiheit bei Kindern in Sekten?

Zürich, 28.5.16 (kath.ch) Die Sektenberatungsstelle «Infosekta» wirft in ihrem aktuellen Jahresbericht 2015 ein besonderes Augenmerk auf Kinder in sektenhaften Gruppierungen. Infosekta fordert eine stärkere Diskussion über die Frage, wie es um die Religions- und Meinungsfreiheit von Kindern steht, deren Eltern Mitglied in einer Sekte sind.

Die aktuelle Handschlag-Debatte nimmt Infosekta zum Anlass, auf ähnliche Dispensierungsgesuche von Mitgliedern in sektenhaften Gruppierungen hinzuweisen. Bei der Diskussion um das Dispensgesuch zweier muslimischer Schüler, die ihrer Lehrerin aus religiösen Gründen die Hand nicht geben wollten, stehe die Frage im Zentrum, inwiefern das Beispiel Schule mache. Es gehe um die Akzeptanz von zentralen Werten unserer Gesellschaft und darum, inwieweit man davon abweichen dürfe.

Dispensgesuche im schulischen Kontext gebe es auch bei manchen sektenhaften Gruppierungen wie etwa den Zeugen Jehovas.  »Wird ein Kind auf Wunsch der Eltern von Geburtstagsfeiern in der Schule ausgeschlossen, erlebt es sich dadurch als nicht zugehörig – was pädagogische Grundwerte unterläuft», heisst es im Jahresbericht von Infosekta. Dies sei zwar weniger gravierend als ein verweigerter Handschlag, dennoch werde mit einer solchen Entscheidung nicht weniger an der gesellschaftlichen Wertebasis gerüttelt als durch den Handschlag-Dispens, argumentiert Infosekta.

«Religiöses Phänomen»

In Fällen, in denen Kinder von Sektenmitgliedern von schulischen Anlässen wie Weihnachtssingen oder Theateraufführungen dispensiert würden, frage man jedoch selten nach der Religions- und Meinungsfreiheit innerhalb dieser Gruppierungen. Der Fall werde vielmehr als «religiöses Phänomen» behandelt. Infosekta fordert stattdessen eine stärkere Diskussion hierüber: «Wie kommt ein Kind als unfreiwilliges Mitglied seiner Gruppe zu den Rechten, die ihm als Mitglied seiner Gesellschaft zustehen?»

Insgesamt verzeichnet Infosekta für das Jahr 2015 11 Prozent mehr Kontakte als im Vorjahr. Dabei sei mit 103 Erstanfragen zu den Zeugen Jehovas ein Rekord für diese Gruppierung erreicht. Die Beratungsstelle begründet die vielen Anfragen zu den Zeugen Jehovas damit, dass diese Gruppierung 2015 vermehrt mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam machte: Die systematische Vertuschung tausender Fälle von Kindesmissbrauch durch die Organisation wurde laut Infosekta letztes Jahr in Australien von einer staatlichen Kommission untersucht.

Scientology und ICF

Auf die Zeugen Jehovas folgen in der Statistik Scientology (53 Erstanfragen) und die Freikirche ICF (25). Ersteres sei wohl eine Folge der aktuellen «Expansionsbemühungen» von Scientology, wie Infosekta meint. Die Beratungsstelle erwähnt die Eröffnung eines Scientology Zentrums (»Ideal Org») in Basel sowie die verstärkte Mitgliederwerbung auf den Strassen von Basel.

Infosekta weist ausserdem darauf hin, dass sie Hinweise auf gewaltsame Erziehungsmethoden in der pfingstlerischen Migrantenkirchen Lighthouse Chapel International erhalten hat. Bedenkliche Erziehungsmethoden würden auch in den Organisationen Childwise und bible.org propagiert, so Infosekta.

Infosekta ist laut eigenen Angaben eine «politisch und konfessionell unabhängige Konsumentenschutzorganisation», die Beratungs- und Aufklärungsarbeit zum Thema «Sekten» anbietet. Finanziert wird die Organisation aus Spendengeldern und Subventionen der Stadt Zürich und des Kantons Zürich. (sys)

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