Der vergessene Kirchenreformer Hieronymus von Prag

Konstanz, 26.5.16 (kath.ch) 100 Jahre vor Martin Luther kämpfte Hieronymus von Prag für eine grundlegende Reform der Kirche: Er geisselte Reichtum und Macht von Kirchenfürsten und kämpfte für das Ideal christlicher Armut. Wo er auftauchte, sorgte er für Aufruhr. Er landete mehrfach im Kerker.

Volker Hasenauer

Das Freikaufen von Sünden mittels Ablasshandel war Hieronymus von Prag ein Dorn im Auge, und er zweifelte an der Lehre, dass sich Brot und Wein im Gottesdienst in Leib und Blut Christi verwandeln. Heute ist der weit gereiste, umtriebige und eloquente Prager Theologe aber nur noch Spezialisten bekannt. Allenfalls als Schüler und Mitstreiter des Reformators Jan Hus (1369-1415) fällt ab und an sein Name. Mit Hus verband Hieronymus eine lebenslange Freundschaft. Und der Tod.

Denn wie zwölf Monate zuvor Hus verurteilte das Konstanzer Konzil 1416 auch Hieronymus wegen ketzerischer Lehren. Vor 600 Jahren, am 30. Mai 1416, wurde er vor den Toren der Bodenseestadt verbrannt und seine sterblichen Überreste wurden in den Rhein gestreut – nichts sollte von ihm bleiben.

Im Rahmen des Konzilsjubiläums

Nun aber wird in Konstanz an den böhmischen Reformator erinnert. Eine Ausstellung, Vorträge und Gedenkgottesdienste sind Teil des grossangelegten Konzilsjubiläums, das noch bis 2018 läuft. Das vom tschechischen Kultusministerium getragene Hus-Museum in der Altstadt zeigt ab Montag, 30. Mai, eine neu konzipierte Sonderausstellung. Historiker, Journalisten und Theologen wollen dem Wirken des Hieronymus nachgehen, der um 1380 geboren wurde. Denn bislang gibt es nur wenige Arbeiten zu dessen Denken und Wirken.

Hieronymus und Hus gerieten als Verfechter von Reformvorstössen in Konflikt mit der Kirchenobrigkeit, die durch die Armutsforderungen ihre Macht in Frage gestellt sieht. Hieronymus flieht auf eine Pilgerfahrt ins Heilige Land – und kehrt erst vier Jahre später nach Prag zurück. Dort hat inzwischen Hus Karriere gemacht – bis er sich entscheidet, nach Konstanz zu reisen. Dort tagt die Versammlung von Kaiser, Kardinälen, Fürsten und Theologen, die allesamt versuchen, die seit Jahrzehnten währende Kirchenspaltung mit zeitweise drei parallel agierenden Päpsten zu überwinden. Eine zentrale Rolle spielen dabei auch vorreformatorische Strömungen, die die Kardinäle in geordnete Bahnen lenken wollen. Sie greifen dabei zum letzten Mittel und verurteilen Hus und Hieronymus zum Tod.

Am gleichen Ort verbrannt wie Jan Hus

Selbst ein erzwungener Widerruf seiner Lehren kann Hieronymus nicht vor dem Scheiterhaufen retten. Auch wenn ein Konzilsbeobachter Hieronymus’ Gelehrtheit und grosse theologische Kenntnisse würdigt: Der Prager Theologe wird verbrannt. Drastisch und voller Abscheu für Hieronymus notiert der Konstanzer Konzilschronist Ulrich von Richental: «Und er wurde auch an der Stätte verbrannt, da der Hus verbrannt wurde. Und er lebte länger als der Hus und schrie sehr gräulich, denn er war ein feister starker Mann mit einem schwarzen dicken und grossen Bart.»

Die Reformrufe wurden auf grausame Weise zum Verstummen gebracht – die Ruhe indes währte nur kurz. Wenige Jahrzehnte später spaltete die Reformation Europa und die Christenheit. Am 600. Todestag der Hinrichtung erinnert in Konstanz ein ökumenischer Gottesdienst an den Vordenker und Reformator Hieronymus von Prag. (kna)

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