«Tut um Gottes Willen etwas Tapferes» – Bedingungsloses Grundeinkommen in der Debatte

Zürich, 8.9.16 (kath.ch) Dem bedingungslosen Grundeinkommen galt eine von den reformierten Kirchgemeinden Grossmünster und Neumünster sowie vom Zürcher Forschungslabor «Institut Zukunft» am Samstag, 7. Mai, organisierte Podiumsdiskussion. An der Debatte beteiligten sich der Autor Adolf Muschg, der Paartherapeut Klaus Heer, die SP-Nationalrätin Jaqueline Badran, der Ethiker Frank Mathwig und der Mitinitiant der Volksinitiative, Daniel Straub. Über die Initiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» befindet das Stimmvolk am kommenden 5. Juni.

Martina Seger-Bertschi

«Wenn man drinnen ruhig ist, hört man das elf Uhr Läuten von draussen», sagte der Grossmünster Pfarrer Christoph Sigrist. Das Geplauder der Podiumsgäste und des Publikums im Chor des Grossmünsters verebbte und die rund 80 Menschen lauschten den Kirchenglocken. Das Podium begann damit, dass jeder der fünf Podiumsgäste einen Input hielt.

Der Schriftsteller Adolf Muschg eröffnete die Runde. Er schnitt unter anderem das Thema an, dass die heutige Generation sich in der Arbeitswelt «gut verkaufen» müsse. «Wenn sie es nicht können, bleiben sie auf der Strecke – das bedingungslose Grundeinkommen ist ein möglicher Weg, der weitergeht und der im wahrsten Sinne des Wortes notwendig ist.»

«Umdenken»

Für die Zürcher SP-Nationalrätin Jaqueline Badran ist das bedingungslose Grundeinkommen «eine Realutopie». Die Menschen, die nur von ihrem Lohn leben, würden durch das bedingungslose Grundeinkommen Brüderlichkeit erfahren.

Zehn Thesen, «nicht 95 wie Luther», stellte der Zürcher Paartherapeut Klaus Heer vor. Ein zentrales Wort von ihm war «umdenken». Umdenken brauche einen Anstoss, nicht nur, aber besonders bei den Männern. Und umdenken schaffe Spielraum für die Frage, wer wie viel bezahlt und unbezahlt arbeite.

«Wasch mich, aber mach mich nicht nass»

Frank Mathwig, Beauftragter für Theologie und Ethik beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK), äusserte den «Verdacht, dass ich hier als kritisches Alibi bin und das mache ich nun auch». Er vermisse gewisse Theorien in der bedingungslosen Grundeinkommen-Diskussion und so komme ihm das bedingungslose Grundeinkommen folgendermassen vor: «Wir wollen nichts ändern, es aber besser haben. Meine Mutter würde dem sagen: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.»

«So einfach ist das»

Als letzter der fünf Podiumsteilnehmer kam der Mitinitiant der Volksinitiative bedingungsloses Grundeinkommen und Mitglied der Geschäftsleitung des «Institut Zukunft» Daniel Straub zu Wort. Er ist Co-Autor des Buches «Grundeinkommen von A-Z». Straub zitierte einen Professor aus seiner Studienzeit in Kalifornien: «Essentially, we are here how to learn to love better.» Und das hoffe er, treffe auch für heute zu. Da man gar nicht sagen könne, wer was zum wirtschaftlichen Output beigetragen habe, solle man doch von diesem Haufen nehmen und jedem Menschen das geben, damit er existieren könne.

Veränderung birgt Risiken, das stimmt

Nach einem kurzen Wortwechsel zwischen den Podiumsgästen, kam das Publikum zum Zug. Eine Frage lautete: «Könnte aus einer guten Idee nicht etwas Schlechtes werden?» Die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens könnte durch Steuern auf die Arbeitnehmenden zurückfallen. Straub antwortete: «Veränderung birgt Risiken, das stimmt. Aber wenn wir nichts machen, auch.» Und Badran fügte hinzu, dass die Finanzierung übers Kapital finanziert werden müsse, denn das bedingungslose Grundeinkommen «ist Teilhabe am Kapital für die, die keines haben»

Wir werden das Geschirr sein

In der Schlussrunde zitierte Muschg den Zürcher Reformator Zwingli: «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes.» Der Pfarrer des Grossmünsters , Christoph Sigrist, wies darauf hin, dass dieses Zwingli Zitat weitergeht: «Indem ihr ein Geschirre (Gefäss) für den anderen werdet.» Er schloss das Podium mit den Worten: «Und wir werden das Geschirr fürs bedingungslose Grundeinkommen.»

Der Zürcher Thinktank «Institut Zukunft» hinterfragt gemäss Eigendarstellung den Status Quo, denkt über radikal neue Lösungen nach und gibt Impulse für Gesellschaft und Wirtschaft. Das Institut bezeichnet sich unabhängig in Bezug auf Politik, Religion und sonstiger Interessenbindungen. (gs)

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/tut-um-gottes-willen-etwas-tapferes/