Vatikanische Konferenz fordert Abschied vom «gerechten Krieg»

Rom, 23.4.16 (kath.ch) Die Taliban in Afghanistan, Gaddafi in Libyen, das Assad-Regime in Syrien und der Vormarsch des «Islamischen Staates»: Die Frage, ob die Anwendung von Gewalt aus christlicher Sicht erlaubt oder sogar ethisch geboten sein kann, ist derzeit aktueller denn je. Die traditionelle katholische Lehre bejaht dies, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Doch unumstritten war diese sogenannte «Lehre vom gerechten Krieg» in der Kirchengeschichte nie. Nun sorgt eine vatikanische Konferenz für Aufsehen, die in ihrer Schlusserklärung den Abschied vom «gerechten Krieg» fordert.

Thomas Jansen

«Wir glauben, dass es keinen gerechten Krieg gibt», heisst es in dem Papier. Zu oft sei die Lehre vom gerechten Krieg mehr dazu benutzt worden, «den Krieg zu fördern, als ihn zu verhindern oder zu begrenzen». Bereits die Annahme, dass ein gerechter Krieg überhaupt möglich sei, «unterhöhlt die moralische Verpflichtung Mittel und Möglichkeiten einer gewaltfreien Beilegung von Konflikten zu entwickeln», so das zwei Seiten lange Schreiben.

Es mündet in der Forderung, die Lehre vom gerechten Krieg «weder länger zu zitieren noch zu lehren». Organisator der Konferenz mit dem Titel «Gewaltfreiheit und Gerechter Friede» waren der päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden und Pax Christi International. Mitte April debattierten hierbei Laien, Theologen, Ordensleute aus allen Kontinenten, unter ihnen auch Bischöfe.

Laut Katechismus müssen vier Bedingungen erfüllt sein

Die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg nennt vier Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit militärische Gewalt gerechtfertigt ist: «Der Schaden, der der Nation oder der Völkergemeinschaft durch den Angreifer zugefügt wird, muss sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein», heisst es im Katechismus der Katholischen Kirche. Weitere Bedingungen sind demnach, dass «alle anderen Mittel sich als undurchführbar oder wirkungslos» erwiesen haben und eine «ernsthafte Aussicht auf Erfolg» besteht. Schliesslich darf der Gebrauch von Waffen laut dem Katechismus nicht «Schäden und Wirren» hervorrufen, «die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel».

Der Katechismus schränkt militärische Gewalt weiter auf die Selbstverteidigung eines Volkes ein. Dieses Recht gilt allerdings nur, solange es «noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist». Ein Übel bleibt der Krieg allerdings auch nach dieser Lehre in jedem Fall, auch wenn er «gerecht» ist.

Argumentation des heiliges Augustinus

Im Kern geht diese Argumentation auf den heiligen Augustinus (354-430) zurück. Der Kirchenvater reagierte damit zu einem auf die wachsende Zahl römischer Soldaten in der Kirche. Zum anderen ergab sich die Fragestellung aus dem neuen Status der Kirche, die im vierten Jahrhundert von der Untergrundbewegung zur Staatsreligion im römischen Reich avanciert war.

Die vatikanische Konferenz fand ein internationales Medienecho: «Verrückte Idee: Der gerechte Krieg auf den Index», betitelte die konservative italienische Tageszeitung «Il Foglio» einen Bericht darüber. Der US-amerikanische Wochenzeitung «National Catholic Register» kritisierte die Forderung nach einer Abschaffung dieser Lehre als Bruch mit dem Katechismus und Distanzierung vom heiligen Augustinus.

Franziskus: Aggressor-Stoppen zulässig

Franziskus selbst hat sich bislang nicht ausdrücklich zur Lehre vom gerechten Krieg geäussert. Er sagte aber mit Blick auf den «Islamischen Staat», dass es zulässig sei, einen Aggressor zu «stoppen». Dies dürfe jedoch nicht durch Bombardierungen und Krieg geschehen. Ausserdem müsse es im Einklang mit dem internationalen Recht stehen.

Diese Aussage deuteten einige Kommentatoren als Zustimmung für ein militärisches Eingreifen nach der UN-Richtlinie «responsiblity to protect» von 2005. Demnach ist eine solche Intervention legitim, wenn Völkermord, ethnische Säuberungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stattfinden. Ob mit der Ablehnung der Lehre vom gerechten Krieg auch solche Aktionen gemeint sind, liess die vatikanische Konferenz in ihrer Schlusserklärung allerdings offen. (cic)

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