Heisst die «Erklärung von Bern» bald «Public Eye»?

Zürich, 16.5.16 (kath.ch) Die «Erklärung von Bern» (EvB) will ihren Namen wechseln. Die NGO, die sich dafür stark macht, ungerechte Machenschaften von Firmen aufzudecken, wird an der Mitgliederversammlung vom 21. Mai darüber entscheiden, ob sie künftig «Public Eye» heissen soll. Susanne Rudolf, bei der EvB zuständig für Marketing und Fundraising, erläutert gegenüber kath.ch die Gründe für den Wechsel.

Sylvia Stam

Warum will die EvB den Namen wechseln?

Susanne Rudolf: Der Name «Erklärung von Bern» wird in der heutigen Kommunikationslandschaft immer mehr zur Hypothek. Er ist irreführend, weil er für Nicht-Eingeweihte nichts oder sogar etwas Falsches aussagt. Rückmeldungen zeigen etwa, dass wir mit Behörden gleichgesetzt werden.

Des Weiteren sind unsere Kampagnen zum Teil bekannter als die Organisation. Das zeigt, dass viele Leute sich unseren Namen trotz hoher Medienpräsenz der EvB nicht merken können. Dort verlieren wir viel Potenzial. Denn wenn die Leute den Absender dieser Botschaften besser kennen würden, könnten wir sie auch besser mobilisieren.

Leidet die EvB denn unter Mitgliederschwund?

Rudolf: Das ist übertrieben. Wir haben derzeit rund 25’000 Mitglieder und ein konstantes Wachstum. Aber wenn man die Struktur anschaut, sieht man, dass die Gründergeneration zwar noch aktiv ist, aber aus der jüngeren Generation zu wenige nachkommen. Als Organisation müssen wir unseren Mitgliederkreis erweitern können. Wir wissen, dass es sehr viele engagierte junge Leute gibt.

Ändert sich mit dem Namen auch die Botschaft, vom Erklären zum Hinschauen?

Rudolf: Nein. Die Arbeitsweise, die journalistische Recherche und das Erarbeiten von alternativen Vorschlägen, wird genau gleichbleiben, ob man jetzt von Erklären oder Hinschauen spricht. Auch die Werthaltungen wie Gerechtigkeit, Respektierung der Menschenrechte, Nachhaltige Entwicklung und so weiter bleiben gleich. Wir verlieren den Begriff «Erklärung» ausserdem nicht ganz. In den Statuten soll der offizielle Name lauten «Public Eye, Verein im Sinne der Erklärung von Bern». Das Ursprungsmanifest bleibt also die DNA der Organisation.

Sie schlagen den Mitgliedern nur einen Namen vor. Gab es keine Alternativen?

Rudolf: Es war immer der Favorit. Wir finden, dass er sehr gut zu uns passt, weil er eine unserer Kernkompetenzen gut zum Ausdruck bringt: Dass man hinschaut und Missstände an die Öffentlichkeit bringt, die nicht gerecht sind. Kein anderer Name hätte diese Kernkompetenz besser zum Ausdruck gebracht. Für das Team und den Vorstand ist dies der richtige Name.

Warum ein englischer Name?

Rudolf: Das ist Zufall. Wir hätten uns einen Namen in einer Landessprache gewünscht. Es hat jedoch kein Name so gut funktioniert wie «Public Eye». Wir wollten einen Namen für die ganze Organisation, der in allen Landessprachen funktioniert. Er soll zudem ausdrücken, was wir tun. Wir profitieren davon, dass «Public Eye on Davos», die kritische Gegenveranstaltung zum «World Economic Forum» (WEF), unsere Kampagne war. Deshalb ist unseren Mitgliedern der Name bereits vertraut, auch wenn er englisch ist.

Wie reagiert die Gründergeneration auf den neuen Namen?

Rudolf: Gerade die Gründergeneration reagiert sehr positiv auf den Wechsel. Wir haben von Leuten, die damals im Komitee oder Mitarbeitende waren, sehr positive Rückmeldungen bekommen, in dem Sinne: «Jetzt macht ihr endlich das, was wir jahrelang vor uns hingeschoben haben.» Wenn etwas negativ kritisiert wird, dann die Tatsache, dass der Name englisch ist. Aber aus allen Rückmeldungen geht Verständnis dafür hervor, dass wir den Namen ändern möchten.

Die EvB engagiert sich vor allem in der Schweiz. Wo wird der Schweiz-Bezug im neuen Namen sichtbar?
Rudolf: Der ist natürlich nicht mehr so sichtbar wie mit dem Begriff «Bern». Es wird unsere Aufgabe sein, das mit dem dazugehörigen Slogan klarzumachen. Dieser wird lauten: «Globale Gerechtigkeit beginnt hier bei uns». Mit dem «Hier» ist einerseits in der Schweiz gemeint, aber auch jede einzelne Person.

Was passiert, wenn die Mitglieder den neuen Namen ablehnen?

Rudolf: Dann bleibt es beim bisherigen Namen und das Thema wäre wohl vorderhand vom Tisch. Die Arbeit, die wir in das Projekt gesteckt haben, wäre jedoch nicht vergeblich. Wir wissen jetzt viel besser, wie wir unsere Kernbotschaften platzieren können. Die Arbeit, die wir in den einheitlich visuellen Auftritt gesteckt haben, wird weitergehen. Das wird helfen, als Absender besser gesehen zu werden.

Um was für eine «Erklärung» handelt es sich beim aktuellen Namen?
Rudolf: 1968 hat eine Gruppe von Leuten vor allem aus theologisch-reformierten Kreisen ein Manifest formuliert, in dem sie ihre Vorstellungen von Entwicklungszusammenarbeit festgehalten haben. Ein wichtiger Punkt damals war die Selbstverpflichtung, drei Prozent des Einkommens für Entwicklungsprojekte zu spenden. Das Manifest wurde in Gwatt bei Bern von etwa 1000 Personen unterzeichnet. Daraus wurde eine Bewegung, und 1971 gründete man einen konfessionell unabhängigen Verein.

Heute ist der Aspekt der Entwicklungszusammenarbeit sicher nicht mehr zentral. Geblieben ist die Auffassung, dass wir in der Schweiz, bei unseren Unternehmen und Institutionen und auch bei uns als Individuen ansetzen müssen, damit die Welt gerechter wird. «Es geht nicht so sehr darum, mehr zu geben, sondern weniger zu nehmen» – diesen Spruch von damals können wir bis heute voll und ganz unterschreiben. (sys)

Susanne Rudolf ist zuständig für Marketing und Fundraising bei der «Erklärung von Bern» in Zürich.

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/heisst-die-erklaerung-von-bern-bald-public-eye/