Feministische Theologinnen: enttäuscht über «Amoris Laetitia»

Basel, 15.4.16 (kath.ch) Das neue päpstliche Schreiben ist der IG Feministische Theologinnen «alles andere als ein Grund zur Freude». «Enttäuscht müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass auch der «Papst der Barmherzigkeit» nicht willens ist, an den traditionellen Fundamenten der kirchlichen Lehre zu rütteln», schreiben die feministischen Theologinnen in einer Mitteilung vom Freitag, 15. April.

Die Ehe werde auch in diesem Schreiben «als ausschliessliche und unauflösliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau» und die «Familie als natürliche, auf die Ehe gegründete Gemeinschaft» verstanden. Für andere Lebens- und Familienformen und Homo-Ehen habe es keinen Platz, so die Mitteilung, die von der Theologin Doris Strahm unterschrieben ist.

Auch werden laut den Feministinnen Verhütung und Abtreibung weiterhin pauschal verurteilt. Und gegenüber den wiederverheirateten Geschiedenen vertrete der Papst keine neue Lehre, nur eine andere Haltung. Er fordere Respekt und Mitgefühl, ja Barmherzigkeit auch für jene Gemeindemitglieder, die in «irregulären Situationen» leben. So sollen künftig die Ortsbischöfe entscheiden können, ob und unter welchen Bedingungen wiederverheiratete Geschiedene am kirchlichen Leben und an den Sakramenten teilnehmen können. Der Papst öffne damit für die seelsorgerliche Praxis Spielräume, an der Doktrin selber aber halte er fest.

Papst fördert Kampagne des Vatikan gegen «Gender-Ideologie»

Bedenklich finden die Theologinnen, dass der Papst die scharfe Kritik des Vatikans an der sogenannten «Gender-Ideologie» festschreibe. Seit der Uno-Konferenz von Beijing von 1995 gebe es eine regelrechte Kampagne des Vatikan gegen das, was dieser dem Begriff Gender unterstelle, so die Theologinnen. Der Vatikan meine, Gender propagiere die völlige Abschaffung der Unterschiede zwischen Mann und Frau, sodass der Mensch letztlich selbst bestimmen könne, welches Geschlecht er annehmen will. Die Umdeutung des Begriffs «Gender» zu «Gender-Ideologie» oder «Genderismus» diene kirchlichen Kreisen dazu, gegen alles vorzugehen, was in ihren Augen die Fundamente der traditionellen patriarchalen Gesellschaftsordnung in Frage stelle. Die Theologinnen erwähnen dabei die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frauen, den Wandel der sozialen Geschlechterrollen und der kulturellen und religiösen Geschlechterkonzepte, Patchwork-Familien und Homo-Ehen.

So werde mit aller Vehemenz versucht, das traditionelle Modell der Familie und der aus kirchlicher Sicht «natürlichen» Komplementarität der Geschlechter als gottgewollte Ordnung und «natürliches» Fundament der Gesellschaft zu verteidigen, schreiben die Theologinnen. Diese Komplementariät der Geschlechter ist laut der IG jedoch hierarchisch. Ziel des vatikanischen Vorgehens sei, die patriarchalen Machtverhältnisse in Kirche und Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Der Aufruf zum Kampf gegen die Gender-Ideologie und für den Erhalt der traditionellen Familie sei nichts anderes als ein Angriff auf die hart erkämpfte Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, folgern die feministischen Theologinnen. Das zeigten beispielsweise Bestrebungen in Polen, wo rechtskonservative Kreise im Verbund mit der katholischen Kirche das bereits restriktive Abtreibungsgesetz weiter verschärfen oder Abtreibung gar verbieten wollten. (rp)

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