Umnutzung Kirche Rorschach: Kochnische statt Beichtstuhl

Rorschach SG, 4.3.16 (kath.ch) In Rorschach diskutieren derzeit Vertreter von Kirchgemeinde, kantonalen Ämtern, kirchlichen Gremien und der Denkmalpflege über die Möglichkeit einer Umnutzung der katholischen Herz-Jesu-Kirche in Wohnraum. Wie und warum eine Kirche durchaus auch als Wohnraum dienen kann, zeigt die Reportage von kath.ch.

Daniela Huber-Mühleis

Das Kirchenleben der 116 Jahre alten Herz-Jesu-Kirche wurde in den letzten Jahren mehr und mehr in die nahe gelegene Kolumbanskirche verlegt. Im ehrwürdigen Bauwerk ist Stille eingekehrt, es wird kaum noch besucht. Die geweihte Stätte steht aber unter Denkmalschutz und kostet Unterhalt. Deshalb haben die verschiedenen Gremien über unkonventionelle Nutzungen nachgedacht.

Zweizimmerwohnungen in Seitenschiffen

«Eine Architekturstudie veranschaulicht, wie das Gebäude für Wohnraum umgenutzt werden kann. Die Idee ist, ein «Haus im Haus» zu bauen, damit kaum Eingriffe in die Bausubstanz vorgenommen werden müssen», erklärt Kirchenverwaltungsratspräsident Stefan Meier die Umnutzung. «Damit besteht die Möglichkeit einer Umkehrung.»

So bleibe die Aussenhülle der Kirche «unberührt». Einzig die Kunstverglasungen würden durch Klarglas ersetzt. In den Seitenschiffen können Zweizimmerstudios in Form von Wohnboxen erstellt werden. In der Mitte soll ein Gemeinschaftsraum entstehen, der vielfältig genutzt werden kann. Im Chorraum ist ein Raum der Stille geplant. Der Kirchenturm wird als Treppenzugang mit Liftschacht dienen. In der Empore entstünden zwei grössere Wohnungen mit 3,5 und 4,5 Zimmern.

Der Dachstuhl eignet sich auch zur Nutzung für stilles Gewerbe. Gemäss Studie sind die technischen Installationen, Strom-, Wasser- und Abwasserversorgungen realisierbar. Die Art der Heizung ist noch offen. Das Grundstück ist gross genug, um Parkplätze erstellen zu können. «Was mit der Inneneinrichtung der Kirche geschieht, wird zu einem späteren Zeitpunkt im Dialog mit der Denkmalpflege besprochen», sagt Stefan Meier.

«Kirche muss Wohnraum für Menschen sein»

Für Patrick Büchel, Pfarreibeauftragter in Rorschach, gibt es kaum eine bessere Alternative für die Nutzung einer Kirche als Wohnraum: «Eine Kirche ist für mich ein Haus, in welchem wir dem Göttlichen, welches in jedem Menschen zu finden ist, bewusst begegnen können. Als Menschen haben wir die Aufgabe, dem Göttlichen in uns selber Raum zu geben und so Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.»

Kirchen seien keine Museen oder Bibliotheken, eine Kirche müsse Lebens- und Wohnraum für Menschen sein und bleiben. «Das ist das höchste Gut, was eine Kirche leisten kann, nämlich Steine zum Leben zu erwecken», ist der Theologe überzeugt. «Beängstigend und unverantwortlich wäre, wenn wir die Kirche aus denkmalpflegerischen und finanziellen Gründen über Jahrzehnte leer stehen liessen und Gott der Einsamkeit überliessen», fügt Büchel an.

Einem Gebäude wie einer Kirche einen neuen Inhalt zu geben, sei gar nicht so leicht, sagt Büchel weiter. DIe Kirche als Ort der Begegnung sei bei vielen Pfarreiangehörigen mit Erinnerungen verbunden. «Ich verstehe somit auch ihre Trauer. Es heisst Abschied zu nehmen von einem vertrauten Ort, in dem regelmässig Gottesdienste gefeiert wurden. Abschied zu nehmen von Erinnerungen an persönliche Feste wie Taufe, Erstkommunion, Hochzeit oder die Beerdigung eines Angehörigen», resümiert Büchel. Dieser Abschied müsse gut vorbereitet und auch bewusst begangen werden. Dem Rechnung zu tragen, sei die Aufgabe der Seelsorgenden.

Prüfenswerte Idee

«Ich kann mich mit diesem Gedanken noch nicht ganz anfreunden», meint Cornelia Deola, Einwohnerin von Rorschach, zum Wohnraumprojekt. «Mir persönlich wäre es lieber, wenn der sakrale Bau nur für kulturelle Anlässe genutzt würde», fügt sie an. Agnes Unseld, die ebenfalls in Rorschach wohnt, vertritt hingegen die Meinung, dass diese Idee auf jeden Fall prüfenswert ist.

Derzeit finden noch diverse Abklärungen statt, wenn diese positiv verlaufen, soll ein Entwicklungsprozess initiiert werden, der auch baurechtliche Fragen wie beispielsweise die Umzohnung der Parzelle klären soll. Des Weiteren können dann konkrete Berechnungen zur Finanzierung dieses Projekts gemacht werden. «Potentielle Partner haben uns bereits kontaktiert», sagt Stefan Meier.

Sowohl die Bürger als auch die Mitglieder der Stadtbildkommission werden sich zu gegebener Zeit mit dieser komplexen Angelegenheit auseinandersetzen müssen. Bis die ersten Mieter in die Herz-Jesu-Kirche einziehen, können jedoch noch einige Kerzen im Gotteshaus angezündet werden.

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