«Wenn es um Menschenwürde geht, darf die Kirche nicht schweigen»

Solothurn, 22.1.16 (kath.ch) Die sogenannte «Durchsetzungsinitiative» bewegt und sorgt allenthalben für Diskussionsstoff. Auf Anfrage von kath.ch nimmt Felix Gmür, Bischof von Basel, Stellung. für ihn steht fest, dass die Initiative unzumutbar und ungerecht ist. In so einem Moment dürfe die Kirche nicht schweigen.

Martin Spilker

Herr Bischof, was verbinden Sie mit dem Wort «durchsetzen»?

Fekix Gmür: Im sozialen Kontext bedeutet es, dass andere sich dem eigenen Willen unterordnen müssen.

Sie engagieren sich gegen die Durchsetzungsinitiative der SVP. In einem Satz, bitte: Warum?

Gmür: Sie ist unverhältnismässig, unzumutbar und ungerecht.

Das verlangt nun doch ein paar Worte mehr. 

Gmür: Der wichtigste Rohstoff der Schweiz ist die soziale Stabilität. Die Schweiz hat es immer verstanden, das Fremde zum Partner zu machen, zu lernen, zu integrieren. Was wäre unsere Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Sport, Kirche ohne Ausländer? Unvorstellbar, dass für einen grossen Anteil unserer Bevölkerung spezielle Gesetze gelten.

Gibt es auch Fälle, bei denen Sie die Durchsetzung einer Strafe – verbunden mit einem Landesverweis – befürworten könnten?

Gmür: Ja, aber ein solcher Entscheid muss rechtsstaatlich begründet sein. Mit den heutigen Gesetzen ist dies gewährleistet und bereits der Fall.

Sie sind als Bischof von Basel einem Gegenkomitee zur Durchsetzungsinitiative beigetreten und setzen damit ein starkes Zeichen, dass die Kirche zu politischen Themen nicht schweigen kann oder will. Wieso haben Sie diesen Weg gewählt?

Gmür: Wenn es um Menschenrechte und Menschenwürde geht, darf die Kirche nicht schweigen.

Müsste sich in einer solchen wichtigen Frage nicht die gesamte Kirchenleitung, also die Schweizer Bischofskonferenz zu Wort melden?

Gmür: Die Bischofskonferenz tut dies mit einer Mitteilung der beiden Kommissionen «Justitia et Pax» und «Migratio». Zudem engagieren sich die einzelnen Bischöfe auf eigene Weise.

Kann oder darf man Ihre Haltung auch als Aufforderung zur Stimmabgabe verstehen?

Gmür: Ja – die Leute sollen abstimmen und als freie Bürger und mündige Christen entscheiden.

Zum Schluss: Welches Wort würden Sie dem Begriff «durchsetzen» entgegenstellen?

Gmür: «Auffordern». Ich finde, wir dürfen die Menschen, die zu uns stossen, dazu auffordern, sich gewinnbringend in unsere Kultur zu integrieren. Mit «Auffordern» ist einerseits eine Einladung verbunden, andererseits eine Forderung – das finde ich angemessen und selbstverständlich. (ms)

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