Ökumene-Experte sieht Kircheneinheit in weiter Ferne

Salzburg, 20.1.16 (kath.ch) Mit einer pointierten Kritik zum gegenwärtigen Stand in der Ökumene hat sich Dietmar W. Winkler zu Wort gemeldet: «Wir leben in einer ökumenisch bewegten Zeit – und doch geht nicht viel weiter», sagt der Salzburger Ökumene-Experte und Kirchenhistoriker gegenüber der österreichischen Agentur «Kathpress». Trotz der ökumenischen Feierlaune angesichts der laufenden Weltgebetswoche für die Einheit der Christen mangle an Willen und an Konzepten zur Einheit.

Papst Franziskus agiere zwar auch in der Ökumene zeichenhaft-prophetisch. Es fehle aber die theologische Akzentuierung, so Winkler, der selber auch Berater im päpstlichen Rat für die Einheit der Christen ist. Auch das geplante Panorthodoxe Konzil sei «schon im Ansatz problematisch».

Zu wenig Mut

Den Grund dafür, dass die Ökumene auf Ebene der theologischen Gespräche derzeit stockt, macht Winkler in einem Mangel an Mut aus – aber auch in einem Mangel an Orientierung: «Ich habe die Vermutung, dass nicht viel weitergeht, weil man nicht weiss, wohin man eigentlich will». Dies gelte für alle Beteiligten – also auch für die eigene katholische Kirche: «Wir reden zum Teil über theologische Nebensächlichkeiten wie die Frage nach dem Papstamt – etwa im Dialog mit der Orthodoxie -, weil wir insgeheim uns um das eigentliche Problem drücken wollen: nämlich dass wir kein theologisches Modell von Kircheneinheit haben, das wir ins Spiel bringen können.»

Die Kirchen blieben daher trotz guter Kooperation in der Praxis – etwa etwa in sozialen Belangen – weiterhin «friedvoll getrennt». Es fehle an «mutigen Entwürfen» der Einheit, wie sie vor Jahrzehnten noch etwa von Karl Rahner und Heinrich Fries gewagt wurden. Heute werde zwar immer wieder betont, «was uns alles eint», man wage sich aber nicht an die «heisse Kartoffel» heran, über Formen konkreter Kircheneinheit zu sprechen.

«Organische Einheit» als Ziel?

Indes zweifelt Winkler aber auch daran, ob das Ziel tatsächlich in einer «organischen Einheit» bestehen könne: So zeige etwa der Blick in die Kirchengeschichte, dass die alte Kirche «viel mehr an Pluralität» kannte, als man sich heute vorstellen könne. Dies gelte für die Theologie in den Urchristlichen Gemeinden ebenso wie für die biblischen Schriften oder die verschiedenen liturgischen Riten, die sich schon früh entwickelt haben. Winklers Fazit: Der christliche Glaube zeige sich in jeder Kultur je anders. «Das müssen wir auch bei der Suche nach einem Modell von Kircheneinheit stärker beachten», so der Theologieprofessor.

Von Papst Franziskus erhofft sich der Salzburger Ökumene-Experte konkrete Entscheidungen auch in der Ökumene. Indem Franziskus eine grosse Offenheit gegenüber anderen Religionen zeige, handle er «praktisch und zeichenhaft zugleich». Es brauche jedoch auch eine «theologische Ausformung dieser ökumenischen Offenheit», so Winkler, denn: «Ansonsten könnte ein Nachfolger-Papst auch wieder an die bisherige theologische Linie anknüpfen und so tun, als wäre Franziskus eine blosse Episode in der Kirchengeschichte. Das meine ich durchaus nicht nur im Blick auf die Ökumene, sondern auch im Blick auf andere umstrittene theologische Fragen.»

Kritik an «Panorthodoxem Konzil»

Skeptisch zeigte sich Winkler aber im Blick auf das für dieses Jahr anvisierte «Panorthodoxe Konzil». Abgesehen davon, dass es weiterhin in den Sternen stehe, ob ein solches Konzil überhaupt zu Stande kommt, sei auch fragwürdig, welche Ergebnisse es bringen würde. Der Erfolg etwa des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) basiere nicht allein auf dem Ereignis an sich, sondern auf einer das Konzil vorbereitenden, «Jahrzehnte andauernden theologischen Aufbruchsbewegung im Vorfeld». Die Bischöfe hatten ihre theologischen Berater dabei und zugleich gab es einen grossen Erwartungsdruck seitens der Gläubigen.

Dies alles fehle bei dem derzeit in Planung befindlichen «Panorthodoxen Konzil», konstatierte Winkler: Zum einen würden die Gläubigen kaum in die Vorarbeiten einbezogen, ausserdem gebe es Anzeichen, dass theologische Berater nicht erwünscht seien. Winkler: «Das hört sich alles vom Ansatz her schon problematisch an. Das klingt nicht nach Aufbruch.»

Von einem Konzil dürfe man erwarten, dass man Schritte aufeinander zu geht und «Feindschaften auch innerkonfessionell überbrückt und sich theologisch zur Welt hin öffnet». Das allerdings sehe er in der Orthodoxie derzeit nicht. (kap)

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