Gewalt gegen Frauen – und gegen Männer?

Zürich, 2.12.15 (kath.ch) Seit dem 25. November läuft schweizweit die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen». In der Gesellschaft erwartet man eine bekennende Abneigung gegen Gewalt. Alles andere wäre ja nicht christlich, oder? (Übrigens: Ebenso wenig ist Gewalt im Islam vertretbar). Viele Kommentare auf der Facebook-Seite von kath.ch fragten aber, was denn mit der Gewalt an Männern sei. 

Francesca Trento

Im Jahr 2014 hat die Polizeiliche Kriminalstatistik (PSK) über 15’000 Taten von häuslicher Gewalt aufgezeichnet. Die PKS versteht unter häuslicher Gewalt folgendes: «Anwendung oder Androhung von Gewalt unter Paaren in bestehender oder aufgelöster oder partnerschaftlicher Beziehung, zwischen (Stief-/Pflege-) Eltern- Kind oder zwischen weiteren Verwandten». In über 70 Prozent der Fälle waren Frauen betroffen. Erstens bin ich kein Statistik-Fan. Und zweitens weiss ich, dass häusliche Gewaltakte sehr oft nicht bei der Polizei gemeldet werden – es geht schliesslich um die Familie… Wie gross die Dunkelziffer da sein mag, ist deshalb unvorstellbar.

Mann schlägt Frau – oder umgekehrt?

Bestimmt kommt den meisten beim Thema «Häusliche Gewalt» die Assoziation «Mann schlägt Frau» in den Sinn. Doch beläuft sich Gewalt wirklich immer nur auf physischer Ebene? In unserem Zeitalter, wo fast jeder oder jede schon einmal einen Psychologen aufgesucht hat oder bestimmt jemanden kennt, der dies getan hat, weiss man, dass psychische Gewalt ebenso grosse Konsequenzen für das Opfer bringen kann wie die physische.
Hand aufs Herz: Wer hat noch nie ein Paar gesehen, in dem die Frau, schön gesagt, die Hosen anhatte? Manche Feministinnen freuen sich jetzt vielleicht über diese Vorstellung. Doch wenn Gleichberechtigung verlangt wird, sollte gegenseitiger Respekt selbstverständlich sein. Ist es wirklich respektvoll, wenn Frau ihren Mann öffentlich in seiner Männlichkeit, das heisst in seinem Stolz verletzt, ihn mit gewissen Sprüchen demütigt? Ist das nicht ebenso gewalttätig? Oder Frauen, die ihre Männer der Freiheit berauben. Öffentlich Eifersuchtsszenen hinlegen, die an Freuds hysterische Frauen erinnern.

Und: was ist mit den Männern, die von ihren Frauen geschlagen werden? Ja, die gibt’s wirklich. Und die Dunkelziffer dieser Fälle ist sehrwahrscheinlich gewaltig höher als die der weiblichen Opfer. Denn Männer erzählen, dass es für sie als Opfer eine doppelte Belastung sei: Einerseits die Gewalt. Andererseits der Hohn, als Mann von Frau geschlagen zu werden.

Dunkle Dunkelziffer

Wieso gibt es überhaupt eine Dunkelziffer? Wenn man von der eigenen erfahreren häuslichen Gewalt erzählt, würden Freunde und Familie alles daran setzen, um einen daraus zu holen. Doch: Bleiben die Opfer nicht meistens in ihrer Misere? Haben erwachsene Menschen nicht immer eine Wahl (vor allem in der Schweiz)? Ich glaube es gibt nicht nur Täter und Opfer. Sondern die, die es tun und die, die es mit sich machen lassen.

Ich schliesse mich damit der oft auf Facebook geteilten Meinung an, dass Männer ebenso Opfer von Gewalt sein können wie Frauen. Und, dass Gewalt über die physische Ebene hinaus geht, die deshalb nichts geschlechtsspezifisches ist. Sondern immer zu unterlassen.

 

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