Klösterlicher Denkanstoss zum bedingungslosen Grundeinkommen

Einsiedeln, 1.12.15 (kath.ch) «Wir arbeiten im Kloster nicht in erster Linie, um Geld zu verdienen, sondern brauchen Geld, um zu arbeiten, zu beten und für Bildung», sagt der Abt von Einsiedeln, Urban Federer. Er legt aus benediktinischer Perspektive dar, was Geld für die Klostergemeinschaft bedeutet. Nächstes Jahr wird in der Schweiz über die Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» abgestimmt.

Zum Grundeinkommen kann ich auf einen ersten Blick eigentlich nichts sagen. Warum? Weil ich selbst keines habe. Zwar leite ich ein Unternehmen, was ein Kloster eben auch ist und das übrigens keine Kirchensteuern bezieht. Dazu arbeite ich auch in und für die Schweizer Bischofskonferenz. Ich habe damit locker Arbeit für zwei Personen. Dafür bekomme ich aber nicht nur keine Boni, sondern überhaupt keinen Lohn. Das hat seinen Grund in unserem Leit-bild: Wir leben nach der Regel des Benedikt von Nursia (+ 547 n. Chr.) und orientieren uns über sie an der Gütergemeinschaft der Urkirche. Diese Regel sagt etwa: «Allen sei alles gemeinsam und keiner nenne etwas sein eigen» (Kap. 33). Wir legen also alles zusammen, was wir verdienen, und dem Abt steht im Alltag oder für Freizeit nicht mehr zur Verfügung als dem Bruder, der die Tische im Speisesaal reinigt. Der Besitz, das Eigentum hat bei uns eine soziale Hypothek und verpflichtet in diesem Sinne zum Teilen.

Die Benediktsregel legt damit den Fokus nicht auf das Einkommen, das wir Mönche natürlich auch brauchen, um leben zu können. Sie legt sie auf die Arbeit und ist dabei revolutionär: Benedikt fordert von allen Mönchen, dass sie arbeiten – und das in einer Zeit, wo Arbeit immer noch dem Sklavenstand zugemutet, aber nicht selbst unternommen wurde. So sagt die Regel vor allem zum damaligen Adel, der im Kloster vermutlich zum ersten Mal arbeiten mussten: «Müssiggang ist der Feind der Seele. Deshalb müssen sich die Brüder zu bestimmten Zeiten der Handarbeit und zu bestimmten Zeiten wiederum der heiligen Lesung widmen» (Kap. 48). Die Arbeit macht also den Menschen wesentlich aus. Dabei gilt weniger, was einer tut, als vielmehr, wie er es tut. Alle Arbeit ist wertvoll und ruft nach Sorgfalt und Qualität. Der Handwerker etwa soll seine Geräte wie heilige Altargefässe behandeln, sagt die Regel (vgl. Kap. 32). Darum erhält jeder Mönch das Nötige, was er braucht, unabhängig von dem, was er dem Kloster finanziell einbringt.

Die Arbeit ist für den hl. Benedikt zentraler Bestandteil des Lebens und dient der menschlichen Selbstverwirklichung. Sie bringt uns Menschen die Würde, die uns in meinem Glauben eigen ist: Ebenbild Gottes und Mitverantwortliche in der Schöpfung zu sein. Arbeit wird also schöpferisch gesehen. Und so komme ich zu meiner spezifisch benediktinischen Sicht auf das Grundeinkommen: Geld kann Arbeit nicht wirklich entgelten, aber als Grundeinkommen ermöglicht Geld die Arbeit. Wir arbeiten im Kloster nicht in erster Linie, um Geld zu verdienen, sondern brauchen Geld, um zu arbeiten, zu beten und für Bildung. Ich möchte in der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen damit vor allem den Aspekt der Würde des Menschen einbringen. Über Zahlen streiten kann ich nicht, dazu sind andere kompetenter.

Das Grundeinkommen muss für mich aber Menschenwürde, menschenwürdiges Arbeiten ermöglichen, denn «bedingungslos» ist in unserem Glauben vor allem Gott in seiner Liebe – und diese schenkt uns stets von neuem unsere Menschenwürde. In nicht benediktinischen Worten aus-gedrückt: Wir haben als Gesellschaft die Aufgabe, allen Menschen eine erfüllende Arbeit zu ermöglichen und einen Verdienst, um das Leben in Würde bestreiten zu können. Im Kloster sind die Tätigkeiten gleichwertig und werden darum nicht über Geld abgegolten. Darum hören Sie in einem Kloster wohl öfters als sonst wo für geleistete Arbeit: «Vergelt’s Gott!» Für die Gesellschaft übersetzt hiesse das: Im Mittelpunkt steht der Mensch mit seinen Fähigkeiten – und in seiner Hingabe. In der Arbeit kann er eine Passion entwickeln, die wiederum der gesamten Gesellschaft zugutekommt. Geld, Grundeinkommen muss dem Menschen dienen!

Dieser ein wenig andere (weil: klösterliche) Blick auf das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht als Lösung für eine wirtschaftliche Existenzsicherung jedes Menschen gedacht – aber als Denkanstoss für eine noch zu führende Debatte zu einem wichtigen Thema.

Abt Urban Federer OSB, Kloster Einsiedeln

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