Kirchen-Umnutzung: «Denkmalschutz und Bauvorschriften sind Knackpunkte»

Freiburg, 26.11.15 (kath.ch) Sollen Kirchenräume umgenutzt werden, gibt es einige Hürden zu nehmen: emotionale, staatsrechtliche und kirchenrechtliche. Das weiss René Pahud de Mortanges. Der Professor leitet das Institut für Religionsrecht an der Universität Freiburg und hat über das Thema referiert und publiziert.

Regula Pfeifer

Sie haben über Kirchenumnutzungen aus rechtlicher Sicht publiziert. Haben Sie auch als Berater für Kirchenumnutzungen gewirkt?

René Pahud de Mortanges: Noch nicht; das Thema beschäftigt mich seit einer vom Institut für Religionsrecht 2006 organisierten Tagung aber immer wieder.

Sie beobachten also die Entwicklung in diesem Bereich. Was stellen Sie fest?

Pahud: Pfarreikirchen wurden in der katholischen Kirche bisher nur in Einzelfällen umgenutzt, doch wird hier in den nächsten Jahren besonders in den Städten Einiges auf uns zukommen. Betroffen waren bisher vorwiegend Klöster. Vor allem die Kapuzinerklöster mussten mancherorts Niederlassungen aufgeben. Wird eine Klostergemeinschaft aufgehoben, interessieren sich manchmal andere kirchliche Organisationen oder Gemeinschaften für die Gebäude. Falls sich in diesem Umfeld kein Interessent finden lässt, stehen die zuständigen kirchlichen und staatlichen Behörden vor der Aufgabe, eine neue, nichtkirchliche Verwendung für die Gebäude zu finden.

An was für Klöster denken Sie?

Pahud: Im Kapuzinerkloster in Sursee, das von der örtlichen katholischen Kirchgemeinde übernommen wurde, sind verschiedene kirchliche Vereine und Organisationen eingezogen, ebenso die Erwachsenenbildung und die Musikschule. Der Klostergarten wird von den Anwohnern genutzt. Als neue Nutzung für das Kapuzinerkloster Stans hat sich der Kanton Nidwalden, der Grundeigentümer ist, für ein Projekt entscheiden, welches in den Klosterräumen ein Kompetenzzentrum für regionale Kulinarik errichten und betreiben möchte.

Angenommen, eine katholische Kirche in einer Stadt wird kaum genutzt. Wer wird aktiv, um nach einer möglichen Umnutzung zu suchen?

Pahud: Wohl zunächst die Kirchgemeinde. Diese wird die bestehenden Optionen mit den Gremien der Ortspfarrei und der Bistumsleitung, dann auch mit den zuständigen staatlichen Stellen diskutieren. Dabei muss kirchliches und staatliches Recht berücksichtigt werden.

Beim geplanten Kirchenverkauf in der Luzerner Gemeinde Buchrain-Perlen gab es unlängst Widerstände aus der Bevölkerung, weshalb?

Pahud: Die Kirche ist stets auch ein Stück emotionale Heimat, hier hat man vielleicht geheiratet und seine Kinder taufen lassen. Interessanterweise reagieren in solchen Fällen oft nicht nur die aktiven Gottesdienstbesucher mit Widerstand. Für viele Menschen, auch jene die ansonsten ein eher distanziertes Verhältnis zur Kirche als Institution haben, sind Kirchengebäude ein Ort der spirituellen Orientierung in ihrem Alltag.

Welche kirchlichen Gebäude sind am schwierigsten umzunutzen?

Pahud: Ein Pfarrhaus oder einen Pfarreisaal umzunutzen ist oft einfacher als eine Kirche. Da sie keine religiöse Bedeutung haben, lassen die kirchlichen Richtlinien hier viel Spielraum offen. Wenn der Kirchenraum selber umgenutzt und zu diesem Zweck auch umgebaut werden soll, ist zudem der staatliche Denkmalschutz involviert, bei alten Gebäuden natürlich besonders stark. Dann gilt: Je älter ein Gebäude, umso schwieriger der Umbau. Eine Kirche aus dem Mittelalter lässt sich in der Schweiz kaum umbauen für nichtreligiöse Zwecke. Bei Kirchen des 20. Jahrhunderts, etwa bei den schlichten Betonkonstruktionen der 60er-Jahre, ist das eher möglich. Aber auch diese sind denkmalschützerisch manchmal wertvoll.

Ist eine Übergabe an andere religiöse Gemeinschaften einfach?

Pahud: Die Übergabe an eine andere katholische Gemeinschaft ist gemäss den kirchlichen Richtlinien einfacher als an eine andere christliche Gemeinschaft, am schwierigsten ist jedoch die Übergabe an eine nichtchristliche religiöse Gemeinschaft.

Der Denkmalschutz ist ein Knackpunkt, welche weiteren Knackpunkte gibt es?

Pahud: Die Bauvorschriften. Wird eine vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten gebaute Kirche umgenutzt, stellt sich die Frage: Muss das Gebäude nun alle heutigen baurechtlichen Vorschriften erfüllen, etwa bezüglich Sicherheit und Isolation? Hier gilt die Bestandesgarantie. Die besagt, wenn das Gebäude weiterhin als Kirche genutzt wird, muss die Kirchgemeinde nicht alle neuen Auflagen erfüllen. Wird die Kirche hingegen verkauft, etwa um als Restaurant oder Bibliothek betrieben zu werden, muss der Inhaber das Gebäude so sanieren, dass es den heutigen Vorschriften entspricht. Das kann ein finanzielles Handicap sein für eine nichtreligiöse Nutzung. Dieser Punkt muss also auch sorgfältig abgeklärt werden.

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/jurist-zu-kirche-in-neuem-kleid-denkmalschutz-und-bauvorschriften-sind-knackpunkte/