Luganeser Bischof hofft auf «intelligente» Anwendung des Anti-Burka-Gesetzes

Lugano, 25.11.15 (kath.ch) Das neue Tessiner Anti-Burka-Gesetz soll mit Augenmass angewendet werden, fordert der Bischof von Lugano, Valerio Lazzeri, im Interview mit kath.ch. Das Burka-Verbot sei demokratisch legitimiert, darum wolle er es weder gutheissen noch missbilligen. Der Staat soll aber nur eingreifen, wenn Sicherheit oder friedliches Zusammenleben gefährdet sind. Lazzeri warnt zugleich davor, den «legitimen Raum» einzuschränken, in dem sich Religion ausdrücken darf.

Barbara Ludwig

Herr Bischof, am Montag hat das Tessiner Parlament ein Gesetz angenommen, das das Tragen von Burkas und Gesichtsschleiern verbietet. Wie stehen Sie persönlich zu dem Entscheid?

Valerio Lazzeri: Ich möchte zunächst präzisieren, dass der Annahme des Gesetzes eine breite öffentliche Diskussion vorausgegangen ist und auch ein Positionsbezug des Tessiner Stimmvolks. Ich denke deshalb nicht, dass ich den Entscheid gutzuheissen oder zu missbilligen habe. Persönlich betrachte ich den Parlamentsentscheid als Massnahme, die auf demokratische Weise im zivilen Bereich getroffen wurde und die nicht unmittelbar meine Kompetenz betrifft.

Ist es aus Ihrer Sicht denn korrekt, muslimischen Frauen zu verbieten, im öffentlichen Raum ihr Gesicht zu verhüllen?

Lazzeri: Ich finde, das Gesetz kann den Menschen weder verbieten, sich auf eine bestimmte Weise zu kleiden, noch ihnen die Art der Bekleidung aufzwingen. Die religiöse Motivation, sich so oder so anzuziehen, geht den Staat nichts an. Dieser soll nur eingreifen, wenn die Sicherheit gefährdet ist und das friedliche Zusammenleben der Menschen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, die Erkennbarkeit einer Person sicherzustellen, wenn es darum geht, ihre Identität zu überprüfen. Aber dies soll so geschehen, dass sich niemand diskriminiert fühlt, weil er oder sie aus einer Kultur stammt oder einer Religion anhängt, die vorschreiben, wie man sich im öffentlichen Raum zu präsentieren hat.

Das neue Gesetz will die grundlegenden Voraussetzungen des Zusammenlebens schützen, indem es freie soziale Interaktionen gewährleistet. Kann es das überhaupt?

Lazzeri: Das kann ich nicht abschätzen. Ich wünsche mir lediglich, dass das dem Gesetz zugrundeliegende Prinzip mit Augenmass angewandt wird. Es darf nicht der Eindruck entstehen, man wolle mit dem Gesetz den legitimen Raum einschränken, in dem sich Religion ausdrücken darf. Dieser Raum muss in jeder Zivilgesellschaft und jeder Demokratie gewährleistet sein.

Fördert das Gesetz aus Ihrer Sicht den Frieden und das gesellschaftliche Leben im Tessin?

Lazzeri: Auch das hängt von dessen Anwendung ab. Ich hoffe, das Gesetz wird auf intelligente Weise angewandt. Die effektiven Bedürfnisse im Bereich der Sicherheit sollen massgeblich sein, ebenso das, was es für das Zusammenleben der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen braucht.

Mir scheint, das Gesetz für sich alleine genügt nicht: Es braucht auch umfassende Bemühungen bei der Integration, beim interkulturellen und interreligiösen Austausch und der Erziehung zum Zusammenleben im Rahmen demokratischer Regeln.

Was bedeutet das neue Gesetz für die Integration der Muslime?

Lazzeri: Das Problem betrifft nur wenige Personen. Ich habe auf jeden Fall nicht den Eindruck, das Gesetz könne als ein Gesetz des Ausschlusses interpretiert werden. Hingegen bin ich überzeugt, dass ein solches Gesetz uns nicht von der Pflicht entbindet, die Integration voranzubringen. Integration geschieht allerdings auf anderen Wegen. Ein Beispiel sei hier genannt: Kürzlich haben Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften in Lugano eine Lichterprozession für die Opfer der Pariser Anschläge durchgeführt. Integration geschieht auch im Alltag. (bal)

 

 

 

 

 

 

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