Fragezeichen und Vertrauen – Schweizer Stimmen zu Äusserungen von Bischof Lovey vor der Synode

Zürich, 7.10.15 (kath.ch) In der Schweizer Kirche gebe es «keine klare Linie» in Bezug auf die Familiensynode. Mit dieser Aussage vor Pressevertretern überraschte der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, am Sonntag, 4. Oktober, zum Auftakt der Synode in Rom. Lovey vertritt als einer von 270 Synodenteilnehmern aus aller Welt die Schweiz. kath.ch hat bei einigen Schweizer Katholiken nachgefragt, wie die Äusserung des Bischofs bei ihnen ankommt. Sie alle waren in irgendeiner Weise an Synodengesprächen beteiligt, die hierzulande zur Vorbereitung auf das Grossereignis durchgeführt wurden.

Barbara Ludwig

In der Schweizer Kirche ist nach den Worten des Bischofs von Sitten, Jean-Marie Lovey, «keine klare Linie» in Bezug auf die Familiensynode erkennbar. Dies mache es schwer, als Vertreter der gesamten Schweizer Kirche die Schweizer Anliegen einzubringen, erklärte Lovey am Sonntag, 4. Oktober, zum Synodenauftakt vor Pressevertretern in Rom.

Als Delegierter der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) sei er «kein Parlamentarier, der eine Partei vertreten muss». Er sei Vertreter der gesamten katholischen Kirche der Schweiz, «die nicht einheitlich ist» und müsse daher «gegenüber allen Erwartungen aufmerksam» sein. Der Bischof bezeichnete die Stimmung in der Schweizer Kirche als «gespannt».

Verliert Lovey wegen Lobbyisten den Überblick?

Aus Sicht von Markus Heil, Diakon in Mümliswil SO, werfen die Äusserungen von Lovey Fragen auf. Der im Mai publizierte Bericht der SBK, der die Ergebnisse der Synodengespräche zusammenfasst, habe eine «klare Linie» und gebe ein «klares Bild» von dem, was eine Mehrheit der Schweizer Katholiken von der Synode erwarte, sagte der Präsident des Vereins Pfarrei-Initiative Schweiz gegenüber kath.ch. Er frage sich, ob Lovey den Bericht gelesen habe und ernst nehme. Der Bischof könnte derart von Lobbyisten bestürmt werden, dass er nicht mehr wisse, wie er das Ganze einordnen soll und die Mehrheit aus dem Blick zu verlieren drohe, befürchtet Heil. «Das wäre ein trauriges Bild.»

Adrian Wicki, Gemeindeleiter der Pfarrei Härkingen SO, hat hingegen Verständnis für die Haltung des Bischofs. «Als Bischof ist er Diener an der Einheit der Kirche und muss alle Meinungen berücksichtigen», so Wicki. Der Bischof habe Recht, wenn er darauf hinweise, er sei kein Parlamentarier. In der Kirche sei es «nicht zielführend, wenn eine Seite sich durchsetzt». Allerdings frage er sich schon, welchen Sinn die Synodengespräche hatten, die der Bischof nun offenbar ausblende. Denn auch aus Sicht von Wicki geht aus dem Synodenbericht hervor, dass es eine klare Linie in der Schweizer Kirche gibt.

Verhältnis von Progressiven und Konservativen unklar?

Rudolf Vögele, Mitglied der Konferenz der deutschsprachigen Pastoralamtsleiter und der Pastoralkommission der SBK, legt Wert auf Präzisierung. Wie genau das Verhältnis von «Progressiven» zu «Konservativen» sei, hätten weder die Online-Umfrage vom Winter 2013, die das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) im Auftrag der Bischöfe durchführte, noch spätere Gespräche genau erheben können. Auch an den Synodengesprächen im Kanton Zürich seien eher die Progressiven vertreten gewesen. «Insofern verstehe ich Bischof Lovey, wenn er sagt, dass es von und in der Schweizer Kirche keine eindeutig klare Linie gäbe.» Es sei lediglich die Mehrheit der an den Konsultationen Beteiligten, die sich klar für eine Weiterentwicklung der Familienpastoral und für einen offeneren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und mit Homosexuellen ausgesprochen habe.

Vögele begrüsst es, dass Lovey mit der Haltung an der Synode teilnimmt, «gegenüber allen Erwartungen offen zu sein». Dies sei eine Grundvoraussetzung für einen gelingenden Dialog. «Ich erwarte aber auch, dass er in seinem Dreiminuten-Statement die Positionen der Schweiz vertritt, die gewiss uneinheitlich sind, aber doch mehrheitlich für eine Weiterentwicklung plädieren.»

Vögele geht grundsätzlich davon aus, dass Lovey aufgrund seiner Präsenz an einer Tagung der SBK zur Vorbereitung der Synode wahrnehmen muss, wie die Situation in der Schweiz gesehen und bewertet wird. «Ich habe ihn dort als sehr aufmerksamen Teilnehmer erlebt.» Auch Brigitta Aicher, Pastoralverantwortliche im Bistum Basel, wies gegenüber kath.ch darauf hin, Lovey habe an dieser Tagung teilgenommen und sei seit Jahresbeginn in den Synodenprozess involviert. Er habe die Ergebnisse der Synodengespräche «sehr genau studiert», so Aicher.

Wenn das Erlebnis der kirchlichen Universalität zu sehr beeindruckt

Lovey äusserte sich am Sonntag, 4. Oktober, nicht nur zur Schweizer Kirche, sondern erklärte auch, die Synode solle sich nicht auf europäische Themen beschränken, etwa auf die Frage des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen. Diese beiden Themen beschäftigten die Schweiz und andere europäische Länder sehr. Es sei eine «Realität, die man nicht leugnen» dürfe und die eine neue Seelsorge fordere. Gleichzeitig gebe es in der Weltkirche aber zahlreiche andere Realitäten, die die Synode in ihrer Universalität ins Auge fassen müsse, so Lovey.

Markus Heil sagte gegenüber kath.ch dazu, das Erlebnis der kirchlichen Universalität könne einen so sehr beeindrucken, dass man darüber vergesse, die eigene Kirche zu vertreten. Das «internationale Argument» führe bei den Bischöfen oft dazu, dass sie nicht mehr sähen, wo man gemeinsame Themen hat. «Homosexualität ist aber so ein Thema», so Heil. Angesichts unterschiedlicher Realitäten in verschiedenen Weltregionen liessen sich manche Probleme mit regionalen Lösungen regeln. Damit würde man der Universalität der Kirche gerecht. «Aber diesen Vorschlag macht Lovey nicht.»

Bischöfe erst mal arbeiten lassen

Generell plädiert Heil im Moment dafür, die Bischöfe «jetzt erst mal arbeiten zu lassen». «Wir müssen die Ergebnisse abwarten. Die relevanten Ergebnisse werden gemeinsam und nicht von Lovey gemacht.»

Aicher betont, zunächst sei die Synode eben ein Weg, ein Prozess – und nicht nur eine Debatte, wie das bei einem Parlament der Fall sei, wo es nachher Gewinner und Verlierer gibt. Diese Form der Herangehensweise sei neu, «gerade für uns Westeuropäer». Sie könne viel verändern in der Pastoral. Es sei sehr wichtig gewesen, dass die Synode in der Vorbereitung zunächst nach den heutigen Realitäten der Familien gefragt habe. Die Pastoralverantwortliche zeigt sich zuversichtlich, dass die Bischöfe in Rom zusammen mit dem Papst die Zeichen der Zeit im Bereich der Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral sehen. «Ich vertraue darauf, dass der Heilige Geist sie begleitet.» (bal)

Bischof Lovey: Synode nicht auf europäische Themen beschränken

Bischof Lovey: Keine klare Linie in der Schweizer Kirche

Dicke Post aus der Schweiz an den Vatikan – Helvetiens Katholiken fordern Ehepastoral mit Bodenhaftung

 

 

 

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