Wider den Gedächtnisschwund

Medienmitteilung

Einsichten des Kirchenvolkes für das 21. Jahrhundert

Bereits zum zweiten Mal diskutiert in den nächsten Wochen die Bischofssynode in Rom Fragen von Ehe, Partnerschaft und Sexualität. Und auch wenn sich die meisten Katholikinnen und Katholiken hierzulande ihre Meinung längst gebildet haben, beschäftigen Probleme rund um Beziehungen die Menschen seit je. Warum jedoch zeigt sich die katholische Kirche auf diesem Gebiet so hilflos und häufig so weltfremd?

Einer der Gründe ist die Tabuisierung. Es war in den letzten 50 Jahren spannend zu sehen, wie gerade jene Themen aufgebrochen sind und in der Kirche kontrovers diskutiert wurden, deren Diskussion am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65) verboten wurde: Geburtenregelung, Ehescheidung, Zölibat, Homosexualität. Es rächt sich meist, wenn man in einer Gesellschaft oder ihren Institutionen Probleme unter Verschluss hält oder aussitzen will. Natürlich kann es nicht darum gehen, vom Bruch aller Tabus das Heil zu erwarten. Doch elementare Antriebskräfte und Emotionen brechen früher oder später auf, verdeckt oder verlagert, hintergründig oder verlogen. Und der Schaden ist am Ende grösser, als was man mit Tabus schützen wollte.

Zu anderen Themen hat das Konzil mutig bahnbrechende Einsichten formuliert. Viele wurden jedoch in den Jahren danach von der Kirchenleitung abgeschwächt, ‹vergessen› oder gar verleugnet. Eiszeiten haben es an sich, dass alles Lebendige erstarrt. So ist denn zu begrüssen, dass die Plattform ‘Wir sind Kirche’ Österreich vor ein paar Jahren genau hier ansetzte und fragte: Was war denn so epochal an jenem Konzil vor 50 Jahren? Welche Schätze seiner Dokumente sind bis heute nicht gehoben? Und welche Bedeutung haben seine Einsichten für das 21. Jahrhundert?

Gruppen und Einzelne, Theologen und Laien, Europäer, Amerikaner und Asiaten haben die 16 Konzilsdokumente kritisch überprüft und neu kommentiert. Eine prominente Gruppe von Theologinnen und Theologen aus der Schweiz hat einen spannenden Beitrag zur Pastoralkonstitution ‹Gaudium et spes› (Glaube und Hoffnung) beigesteuert. So ist ein Buch entstanden, das die Verheutigung des Glaubens, die Papst Johannes XXIII. (1958–63) mit dem Konzil angestossen hat, für das 21. Jahrhundert reflektiert und die nötigen Schlussfolgerungen für Kirche und Welt zieht: wider den Gedächtnisschwund, der konservativen Kräften noch so gelegen käme.

Eine Tagung unter dem Titel «Das Morgen entsteht im Heute – Zu den vergessenen Möglichkeiten des letzten Konzils» wird sich am 21. November 2015 in Luzern den gleichen Fragestellungen widmen wie das Buch. Sie wird von zehn reformorientierten Gruppierungen gemeinsam durchgeführt.

Buch

Das erwähnte Buch ist soeben im Buchhandel erschienen:
Georg Kraus, Hans Peter Hurka, Erwin Koller (Herausgeber):
Aufbruch aus der Erstarrung. Konzilstexte vom Kirchenvolk neu kommentiert.
Mit einem Geleitwort von Hans Küng.
Lit-Verlag Münster 2015.

Herausgeber

Zu den drei Herausgebern:
Prof. Dr. Georg Kraus, geb. 1938, ist Priester des Bistums Passau und war von 1985 bis 2005 Professor für Dogmatik an der Universität Bamberg.
Hans Peter Hurka, geb. 1951, war vormals Personalmanager und viele Jahre Vorsitzender der österreichischen Plattform Wir sind Kirche. Heute ist er Sprecher des Netzwerks zeitgemäß glauben.
Dr. Erwin Koller, geb. 1940, ist Theologe, Journalist, Erfinder der Sternstunden des Schweizer Fernsehens und Präsident der Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche.

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