Drohungen gegen homosexuelle Flüchtlinge auch in Deutschland

Bonn, 2.10.15 (kath.ch) Viele führten in ihrer Heimat ein Doppelleben. Doch auch in Deutschland müssen sie sich manchmal verstecken: Es gibt Berichte über Anfeindungen gegenüber lesbischen und schwulen Flüchtlingen in ihren Unterkünften. Über deren Situation informierte der Fachdienst für Integration und Migration der Bonner Caritas in Zusammenarbeit mit dem katholischen Bildungswerk.

Leticia Witte / KNA

«Der Aspekt wird in der Öffentlichkeit kaum beachtet», beklagte Mechthild Greten von der Caritas-Öffentlichkeitsarbeit. Der Fachdienst habe seit Jahrzehnten eine Expertise auf dem Feld der Migration. Die Veranstaltung vom Donnerstagabend in Bonn sei als Beitrag zur Interkulturellen Woche zu verstehen – sie hat das Motto «Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt.»

Gewalt, Zwangsheirat, Psychiatrie: In Staaten, in denen sexuelle Orientierungen, die nicht der Norm entsprechen, angefeindet werden, haben Betroffene mit verschiedenen Formen der Unterdrückung zu kämpfen. Das erklärten Gema Rodriguez Diaz und Jacek Marjanski vom Kölner Treffpunkt baraka für Migranten. In über 72 Staaten stehe Homosexualität unter Strafe. Die Todesstrafe könne etwa im Iran, Jemen oder in Somalia verhängt werden.

Feindseligkeiten gegen «queere» Menschen

Doch auch in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland könnten sich «queere» Menschen nicht immer sicher fühlen: Der Begriff steht laut Marjanski für Leute, die «nicht in die Norm» passten. Die Experten erzählten etwa von einem Schwulen, der von seinen Zimmergenossen verprügelt worden sei. Oder von homosexuellen Paaren, die in unterschiedlichen Bundesländern untergebracht worden seien, weil die Behörden sie nicht als Familie betrachtet hätten.

Auch der Bund-Länder-Koordinator beim bundesweiten Lesben- und Schwulenverband (LSVD), Rene Mertens, berichtete von unterschwelligen Feindseligkeiten und offenen Drohungen in Unterkünften. Es fielen Äusserungen wie «Wir wollen dich umbringen» oder «Geh’ nicht duschen.» Hintergrund sei, dass manche Flüchtlinge aus Ländern stammten, in denen Feindseligkeiten gegen Homosexuelle verbreitet seien.

Die Unterstützung für Betroffene stecke noch in den Kinderschuhen. Mitarbeiter in Heimen seien oft nicht sensibilisiert, sagte Mertens. Und: «Es gibt ganz wenige Beratungsstrukturen für queere Flüchtlinge.» Die LSVD-Landesverbände bemühten sich, entsprechende Netzwerke aufzubauen.

Hilfesuchende aus Syrien, Irak, Russland, dem Balkan

Seit Ende der 1990er Jahre arbeitet in Berlin das Projekt «Miles», deren Mitarbeiter betroffene Migranten beraten. Darüber hinaus gebe es auch englischsprachige Angebote auf den LSVD-Internetseiten. Die Menschen, die beim Verband Hilfe gesucht hätten, kämen mehrheitlich aus Syrien, Irak, Russland und vom Balkan.

Bei baraka in Köln können sich Migranten ebenfalls informieren. Aus ihrer Erfahrung weist Diaz auf die Rolle der Dolmetscher hin. Sie würden nicht selten von Botschaften der Herkunftsländer gestellt – homosexuelle Flüchtlinge befürchteten daher, dass die Sprachmittler die Behörden in den Staaten informierten.

Flüchtlingsschutz bei Verfolgung wegen sexueller Ausrichtung

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann jemand Flüchtlingsschutz bekommen, wenn er glaubhaft macht, dass ihm bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland wegen der sexuellen Ausrichtung «schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen» drohen. Es lägen aber «keine Informationen darüber vor, wie viele Antragsteller aus welchen Ländern ihre sexuelle Ausrichtung als Asylgrund genannt haben».

Zahlen haben auch die Beratungsorganisation Rubicon und der LSVD-Bundesverband nicht. «Ich vermute, dass das momentan gar nicht so viele sind», sagte Mertens. Die meisten Syrer und Iraker etwa wollten in erster Linie Krieg und Gewalt entkommen. Homosexualität könne als Grund hinzukommen. Ähnlich äusserten sich Diaz und Marjanski.

Manche Flüchtlinge aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Ghana und Senegal würden ebenfalls in ihrer Heimat wegen ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise Geschlechtsidentität drangsaliert, sagte Mertens. Der Verband betont: «Für diese Menschen ist ihre Heimat keineswegs sicher, das Asylverfahren jedoch oft wenig aussichtsreich.» (kna)

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