Theologin des Fastenopfers zur Umweltenzyklika: «Ich hoffe, der Appell zeigt Wirkung»

Luzern, 18.6.15 (kath.ch) Die Umweltenzyklika von Papst Franziskus verbindet die Umweltproblematik mit der sozialen Frage. Deshalb erkenne sich das Fastenopfer in der päpstlichen Einschätzung der Problematik, sagt Susann Schüepp, Theologin beim katholischen Hilfswerk, im Gespräch mit kath.ch. Sie leitet den Bereich Entwicklungspolitik und Grundlagen.

Regula Pfeifer

Entspricht die Umweltenzyklika Ihrer Wahrnehmung der ökologischen Probleme?

Susann Schüepp: Ja, wir erkennen uns in der Einschätzung der Problematik wieder. Die Enzyklika verbindet die Umweltproblematik stark mit der sozialen Frage. Für Fastenopfer ist dieser Zusammenhang der Grund für das Engagement zur Klimaproblematik. Wir engagieren uns dort, wo die Menschen am meisten von Umweltproblemen betroffen sind. Auf den Philippinen sind Wirbelstürme besonders akut, in Afrika die fortschreitende Verwüstung, in Brasilien die Abholzung des Urwalds.

Und wie beurteilen Sie die päpstlichen Lösungsansätze?

Schüepp: Der Papst sagt, es brauche alle, um die Probleme zu lösen. Er appelliert an die Politik, an uns Konsumentinnen und Konsumenten und erwähnt technische Lösungen. Das ist stark. Ich hoffe, der Appell zeigt Wirkung. Immerhin haben wir wichtige Klimagipfel im laufenden Jahr. Eine politische Regelung ist wichtig, denn der Markt kann den Umgang mit der Natur beziehungsweise der Schöpfung nicht nachhaltig regeln. Es braucht ein gemeinsames Einstehen wichtiger Politiker zur Reduktion des CO2-Ausstosses.

Sehen Sie Umweltschutz als ein christliches Kernanliegen, wie die Enzyklika?

Schüepp: Aus christlicher Sicht verstehen wir die Schöpfung als Geschenk Gottes. Wir haben die Aufgabe, damit sorgfältig umzugehen. Und wir haben eine Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen.

Umweltschutz ist auch Lebensschutz. Der Papst spricht sich mit diesem Statement gegen staatliche Geburtenregelung aus.

Schüepp: Das ist sicher eine der umstrittensten Fragen. Bevölkerungspolitische Massnahmen bringen aus unserer Sicht isoliert nichts. Wirksam sind hingegen Massnahmen gegen die Armut. Diese bewirken, dass die Menschen weniger Kinder haben, weil sie sie nicht mehr zur wirtschaftlichen Absicherung benötigen. Das Bevölkerungswachstum ist zwar eine Herausforderung, aber nicht das ökologische Hauptproblem. Vielmehr geht es darum, wie wir in den reichen Ländern den «ökologischen Fussabdruck» in den Griff bekommen.

Der Papst will kein allgemeines Urteil über «grüne Gentechnik», also gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere, fällen. Ist das gut?

Schüepp: Gentechnik ist ein komplexes Feld mit wenigen Erkenntnissen über Langzeitwirkungen. Von einem ethischen Standpunkt aus gilt: Je weniger wir wissen, umso zurückhaltender sollten wir sein. Das tut der Papst in der Enzyklika. Er zeigt sich kritisch dem Thema gegenüber. Hätte er die Gentechnik als eigentliche Lösung präsentiert, fände ich das bedenklich. Wir von Fastenopfer sind überzeugt: Die Hungerproblematik muss man mit gerechtem Zugang zu den Ressourcen und agroökologischen Massnahmen angehen. Deshalb suchen wir mit unseren Partnerorganisationen beispielsweise nach Lösungen, wie man ein von Trockenheit bedrohtes Land mit weniger Wasser bewirtschaften kann. Das ist erfolgversprechender und weniger bedenklich als Gentechnik.

Die Enzyklika weist den Industrienationen die ökologische Schuld zu. Steht ein solches Urteil dem Papst zu?

Schüepp: Ich denke, ja. Er nimmt die Perspektive eines grossen Teils der Menschheit auf, die das so sieht. Die Aussage ist mutig, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten. Wird das Problem benannt, kann man es angehen und so die Schuld auflösen.

Was meint Fastenopfer zur Aussage: Tiere und Pflanzen besitzen Eigenwert, man dürfe sie nicht nur als «eventuell nutzbare Ressourcen» betrachten?

Schüepp: Im Alltag unsere Partnerorganisationen in verschiedenen Ländern ist diese Ansicht häufig gelebte Realität. Sie findet sich übrigens besonders in indigenen Traditionen, etwa in der Kultur der Maya. Das Christentum hat lange den Menschen über die Natur gestellt. Die Enzyklika führt aus diesem Anthropozentrismus hinaus. Wir müssen zu einem Gleichgewicht finden, indem wir den Eigenwert von Tieren und Pflanzen anerkennen.

Die Enzyklika soll einen Beitrag zur Klima-Konferenz in Paris leisten. Kann sie das?

Schüepp: Ich denke, der Papst ist eine wichtige Instanz, die gehört wird. Gerade Franziskus spricht Menschen auch jenseits kirchlicher Kreise an. Ich hoffe, dass die Regierungsvertreter im Dezember in Paris politischen Willen zeigen zur Treibhausgasreduktion. Und dass Geld gesprochen wird, um nicht umkehrbare ökologische Veränderungen anzugehen und Prävention zu betreiben. Wenn die politisch Verantwortlichen diesen Appell zu Herzen nehmen, kann das Wichtiges bewirken. (rp)

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