Existiert Gott im Leben von Klosterfrauen? – Theaterpremière «Gott ist ein Anderer»

Stans NW, 13.6.15 (kath.ch) Seit 400 Jahren gibt es das Kapuzinerinnenkloster St. Klara in Stans. Zum Jubiläum schrieb der Autor Christoph Fellmann das Stück «Gott ist ein Anderer», welches am 13. Juni uraufgeführt wird. In zehn Monologen erzählen «Schwestern» von bisweilen dramatischen Gottesbegegnungen, früheren Liebschaften und den Gründen, warum sie ins Kloster eingetreten sind. Kath.ch hat beim Autor des Stückes nachgefragt.

Sylvia Stam

Warum heisst das Stück «Gott ist ein Anderer?»

Christoph Fellmann: Bei der Recherche zum Stück hat sich gezeigt, dass der Gottesbegriff der Schwestern sehr unterschiedlich ist. Das geht von einem Gott, der dafür sorgt, dass morgens Brot im Küchenschrank ist, bis hin zur Aussage, dass Gott gar nicht existiert. Eine Schwester beispielsweise beschreibt, wie es sie am Morgen im Gottesdienst durchfahren habe: «Habe ich Brot eingekauft? Ist noch genug Brot da?» Es war dann noch genügend Brot da, und für sie war es Gott, der in diesem Fall dafür gesorgt hatte.

Und eine andere Klosterfrau sagte, Gott existiere nicht?

Fellmann: Der Satz ist so gefallen. Sie hat aber den Titel des Stücks angefügt: Gott ist ein anderer, als der, den sie gemeint hat. Das zeigt, dass die Existenz Gottes selbst für Schwestern, die sich für ein Klosterleben entschieden haben, weil Gott ihnen einst in irgendeiner Weise begegnet ist, bisweilen zweifelhaft ist. Ihr Gottesbild kann sich auch sehr dramatisch verändern, soweit, dass sie sagen: «Ich habe keine Ahnung, wer Gott ist».

Auf der Homepage schreiben Sie von «dramatischen Gottesbegegnungen» der Schwestern.

Fellmann: Sie sind alle sehr gläubig. Aber nur wenige haben von der direkten Begegnung mit Gott erzählt. Eine Schwester beschrieb beispielsweise, wie sie als junge Frau im Bett lag. Plötzlich habe sich der Himmel aufgerissen und Gott habe sie durchfahren. Und es sei unmöglich gewesen, nein zu sagen zu dem, was hier passiert sei. Sie musste sich eigentlich gar nicht mehr für ein Klosterleben entscheiden. Diese Frau hat auch gesagt, dass sie in ihrem ganzen Leben nie Zweifel an der Existenz Gottes gehabt habe, so stark war diese Erfahrung.

Sieht man solche Erfahrungen im Stück?

Fellmann: Es sind zehn Monologe von Schwestern und in jedem dieser Monologe geht es um die Leitfrage: «Wie ist mir Gott begegnet?» Sie handeln aber auch von Alltäglichem: Wie haben sie vorher gelebt? Viele erzählen von Liebschaften, die sie vor dem Klostereintritt hatten, von Männern, die sie zurückgelassen haben. Es geht um Haltung der Schwestern zum Leben, zur Welt draussen, um Fragen nach dem Sinn.

Wie sind die einzelnen Monologe entstanden?

Fellmann: Das sind Verdichtungen von einzelnen Lebensläufen. 432 Schwestern sind in diesen 400 Jahren eingetreten. Von den Verstorbenen gibt es im Klosterarchiv Nekrologe, die allerdings sehr knapp sind: ihre Lebensdaten, ihre Aufgabe, wie sie gestorben sind. Dazu habe ich Interviews geführt mit zehn der aktuell noch zwölf lebenden Schwestern.

Warum sind die Frauen ins Kloster gegangen?

Fellmann: Hier haben wir uns stark auf die Interviews beschränkt. Im 20. Jahrhundert können bestimmte Ausbildungen oder Berufsbilder Gründe sein: Lehrerin zu werden oder eine musikalische Ausbildung zu machen, um Orgel oder Gitarre spielen zu können. Das Kloster hatte eine Töchterschule. Das ermöglichte angehenden Schwestern, eine gute Ausbildung zu machen und Lehrerin zu werden.

Die noch lebenden Schwestern sagen aber alle, dass es ohne starke Religiosität nicht ginge. Nur aus weltlichen Gründen ins Kloster zu gehen, das würde man nicht aushalten. Religiosität war früher noch selbstverständlicher. Eine Schwester sagte, die Existenz Gottes sei gar keine Frage, man frage sich ja auch nicht, ob es Ameisen wirklich gebe. Das sei eine offensichtliche Tatsache. Das ist heute ein eigenartiger Gedanke, diese unhinterfragte Selbstverständlichkeit. Etwa eine oder zwei der noch lebenden Schwestern sehen das so.

Sind Sie selber ein religiöser Mensch?

Fellmann: Nein, ich bin in dieser Tradition aufgewachsen und habe Respekt vor ihr, aber ich bin vor vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten.

Was war denn Ihre Motivation, ein solches Stück zu schreiben?

Fellmann: Für mich war die absolute Schlüsselfrage: Warum lebt man heute, im Jahr 2015, in so einem Kloster? Wie kann man als junge Frau heute in ein Kloster eintreten? Deshalb steht im Stück auch die Begegnung mit einzelnen Schwestern im Zentrum, und nicht etwa die historische Klostergeschichte. Mir ging es auch darum, die Leute, die kommen, mit ihrer Existenz ausserhalb des Klosters und mit ihren eigenen Sinnfragen zu konfrontieren. In der Monologsituation begegnet man den Schwestern sehr nahe, dadurch wird man auch mit der Frage konfrontiert: Wie ist das eigentlich bei mir? Warum kommt ein solches Leben für mich nicht in Frage? Warum habe ich mich für ein Familienleben entschieden? Solche Auseinandersetzungen können beim Publikum entstehen, wir wollen sie aber nicht aufzwingen.

Haben Sie eine Antwort auf die Schlüsselfrage bekommen?

Fellmann: Nein, das ist mir immer noch ein Rätsel! Umso mehr, als rationale Gründe wie eine Ausbildung heute wegfallen. Diese Frauen sind zutiefst gläubig und wollen ihr Leben Gott widmen. Soviel kann man sagen, aber verstehen tut man es deswegen noch lange nicht. Für einen Menschen, der nicht glaubt, bleibt das ein irrationaler Grund. (sys)

Christoph Fellmann (45) aus Horw (LU) ist Schauspieler, Autor und Dramaturg. Daneben schreibt er als Kulturredaktor für den «Tages-Anzeiger» und andere Medien.

Informationen zum Stück: www.400jahre-st-klara.ch. Die Ausführungen sind bereits ausverkauft.

Weiterer kath.ch-Artikel zum Jubiläum der Kapuzinerinnen von Stans.

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https://www.kath.ch/newsd/existiert-gott-im-leben-von-klosterfrauen-zur-theaterpremiere-gott-ist-ein-anderer/