Unterordnung des Gewissens unter «bischöfliches Diktat»: Homosexuelle Theologen reagieren kritisch auf Einigung im Fall Bürglen

Zürich, 29.4.15 (kath.ch) Der Churer Bischof Vitus Huonder und der Pfarrer von Bürglen UR, Wendelin Bucheli, haben sich im Streit um die Segnung eines Lesben-Paares geeinigt. Homosexuelle Theologen sind zwar froh, dass Bucheli in Bürglen bleiben darf. Sie kritisieren aber, dass der Priester versprechen musste, künftig keine homosexuellen Paare mehr zu segnen.

Barbara Ludwig

Man sei froh, dass Bucheli weiterhin Seelsorger in Bürglen bleiben könne, teilte Bruno Fluder, Sprecher von Adamim – Verein Schwuler Seelsorger Schweiz, auf Anfrage gegenüber kath.ch mit. «Ein Stück weit kann man sagen, er hat der homophoben Bistumsleitung in Chur Paroli bieten können.» Doch die Konzessionen, die er eingegangen sei, seien «im Detail tragisch», so Fluder.

In einer gemeinsamen Mitteilung des Churer Generalvikars Martin Grichting und Bucheli, die am Dienstag, 28. April, veröffentlicht wurde, hiess es, Bucheli bedaure, dass durch die Segnung des lesbischen Paares «viele Menschen verletzt wurden». Aus Sicht des Vereins «erfolgte die viel umfassendere Verletzung jedoch durch die verschiedentlichen homophoben Äusserungen der Kurie in Chur». Die anfängliche Strafandrohung der Versetzung wegen Segnung eines homosexuellen Paares war «für uns homosexuelle Seelsorger ein Schlag ins Gesicht», schreibt Fluder.

Einigung auf Kosten des eigenen Gewissens

Schlimmer sei jedoch, dass Huonder erreicht habe, dass einer seiner Priester öffentlich erklärt, «das Urteil seines eigenen Gewissens künftig zu übergehen». Fluder verweist auf die öffentliche Stellungnahme, die Bucheli am 15. Februar in der Pfarrkirche Bürglen abgegeben hatte. Damals sagte der Priester, dass er nach einem Moment der Einkehr und nachdem er Rat bei einem Jesuiten gesucht hatte, die Segnung vorgenommen habe. Zwar räumte er ein, den Akt «nicht genügend diskret» vorgenommen zu haben, wodurch Menschen verletzt worden seien. Dass er die Segnung als solche bedaure, sagte er damals aber nicht.

Bucheli verspreche nun, künftig «sein Gewissen in der moralischen Bewertung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften dem bischöflichen Diktat» unterzuordnen, stellt Fluder kritisch fest. Dies widerspreche der Lehre der katholischen Kirche, die in der Konzilserklärung " Dignitatis Humanae» die Bedeutung des menschlichen Gewissens betont.

Wie kommt Einigung bei Lesben-Paar an?

Auch Susanne A. Birke ist froh, dass mit der Einigung für Bucheli und Bürglen «das Schlimmste» verhindert werden konnte. «Andererseits zeigt mir der Entscheid deutlich, wie reformbedürftig die Kirchenstrukturen sind», teilte die lesbische Theologin auf Anfrage von kath.ch mit. Mit Freude habe sie die Solidarität, die dem Pfarrer von verschiedensten Seiten bekundet wurde, wahrgenommen. «Dass trotz all dem nicht mehr möglich war, spricht Bände, was den Reformbedarf angeht.»

Ganz besonders treffe sie die Art der Einigung als «frauenliebende Katholikin». «Ich frage mich, was diese Medienmitteilung wohl für das betroffene Paar heisst.» Für sie sei dieser Umgang mit Menschen, die die Kirche begleiten sollte, «erschreckend, wenn auch nicht überraschend».

Die Zitate und die «angebliche Geschlechterkomplementarität», mit denen die Kirche ihre Haltung untermaure, seien für sie als Theologin zudem «biblisch nicht wirklich haltbar». «Im Gegenteil: Hier wird eine Botschaft, die befreiend und heilend wirken sollte, dazu missbraucht, Menschen klein zu halten und abzuwerten.» Damit verliere die Kirche Menschen, die ihr viel geben könnten, kritisiert Birke. Die Theologin plädiert deshalb für einen Richtungswechsel der Kirche im Umgang mit homosexuellen Menschen.

Grosses Medieninteresse und Solidarität mit Bucheli

Im Oktober 2014 hatte Bucheli die Verbindung von zwei lesbischen Frauen gesegnet. Huonder teilte Bucheli daraufhin mit, dass dieser Bürglen verlassen müsse, weil diese Handlung nicht der Lehre der katholischen Kirche entspreche. Nach einem weiteren Gespräch zwischen Huonder und Charles Morerod, Bischof von Freiburg, Lausanne und Genf, rief letzterer Bucheli zurück in sein Heimatbistum. Daraufhin bat Huonder den Bürgler Pfarrer in einem Brief, per Sommer 2015 zu demissionieren. Diese Demission wurde mit der Einigung, die am Dienstag bekanntgegeben wurde, hinfällig: Bucheli erklärte, sich künftig an die kirchliche Lehre zu halten und keine Segnungen homosexueller Paare mehr durchzuführen, «weder öffentlich noch heimlich». Im Gegenzug verzichtet der Bischof darauf, Bucheli in seine Heimat zu verbannen. Der «Fall Bürglen» hatte im Februar in den Medien hohe Wellen geschlagen. Zahlreiche Menschen solidarisierten sich mit dem Seelsorger. (bal)

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