Lesben-Segnung spaltet die katholische Kirche Schweiz

Aktualisierte Fassung.

Chur/Bürglen UR, 26.2.15 (kath.ch) Die Segnung eines lesbischen Paares durch Wendelin Bucheli, Pfarrer von Bürglen UR, macht einmal mehr den Riss innerhalb der katholischen Kirchenlandschaft Schweiz sichtbar: Während die einen auf dem Kirchenrecht beharren und die Segnung kategorisch verbieten, fordern die anderen, sich an der befreienden Botschaft des Evangeliums zu orientieren und gleichgeschlechtlich Liebende nicht zu diskriminieren. Am Donnerstag, 26 Februar, findet in Bürglen eine ausserordentliche Kirchgemeindeversammlung zum «Fall Bucheli» statt. kath.ch rekonstruiert, was bisher geschah.

Sylvia Stam

Die Fakten sind rasch erzählt: Im Oktober 2014 segnet Wendelin Bucheli, Pfarrer im urnerischen Bürglen, die Verbindung von zwei lesbischen Frauen. In einem Gespräch unter vier Augen teilt Bischof Vitus Huonder Pfarrer Bucheli am 2. Februar mit, dass dieser Bürglen verlassen müsse, weil diese Handlung nicht der Lehre der katholischen Kirche entspreche. Nach einem weiteren Gespräch zwischen Bischof Huonder und Charles Morerod, Bischof von Freiburg, Lausanne und Genf, ruft dieser Bucheli zurück in sein Heimatbistum. Daraufhin bittet Bischof Huonder den Bürgler Pfarrer in einem Brief,  per Sommer 2015 zu demissionieren.

Die Segnung des lesbischen Paares habe «über die Landesgrenzen hinaus Aufsehen erregt und bei vielen Gläubigen Ärgernis ausgelöst», sagt Huonders Sprecher Giuseppe Gracia gegenüber der NZZ am Sonntag (8. Februar). Er verweist auf ein Papier der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) aus dem Jahr 2002, welches festhält, dass zwar jeder Mensch in jeder Lebenssituation einen Segen empfangen könne, «aber nicht jedes Tun des Menschen wird von Gott gut geheissen». Die Bischöfe sind der Überzeugung, «dass homosexuelle Menschen gesegnet werden können, aber nicht die Schliessung einer homosexuellen Verbindung. Ein solcher Ritus kann einer sakramentalen Eheschliessung zum Verwechseln ähnlich sehen.»

Verwechslungsgefahr mit Trauung

Genau diese Verwechslungsgefahr besteht offenbar in Bürglen: «Von der Form her unterschied sich diese Segnung nicht wesentlich von einer Trauung», sagt Wendelin Bucheli im «Urner Wochenblatt» vom 31. Oktober). Auch im Pfarreiblatt von Bürglen (1.-14. November 2014) ist die Segnung der beiden Frauen unter der Rubrik «Hochzeiten» aufgeführt.

Die Versetzung des Bürgler Pfarrers wird am 8. Februar durch die NZZ am Sonntag publik gemacht. Sie löst einen Protestturm gegen Huonder und eine Solidaritätswelle für Wendelin Bucheli aus: Am 8. Februar starten Privatpersonen auf der Internetplattform avaaz.org eine Online-Petition zur Unterstützung von Bucheli, die innert Wochenfrist die 35’000er Marke überschreitet. Die Junge CVP Uri veröffentlicht ein Solidaritätsschreiben, ebenso die Allianz «Es reicht» unter Federführung des schweizerischen katholischen Frauenbunds. In der Kirche von Bürglen wird ein Buch aufgelegt, in dem Gläubige ihre Unterstützung niederschreiben können. Der Kirchenrat von Bürglen ruft die Gläubigen auf, Protestbriefe ans Bistum zu schicken. Nahezu täglich berichten Medien von Seelsorgern, die seit Jahren unbehelligt homosexuelle Paare segnen.

Bucheli will nicht demissionieren

Wendelin Bucheli lässt inzwischen verlauten, er werde die vom Churer Bischof Vitus Huonder verlangte Demission verweigern. Derweil diskutieren Medien und Kirchenrechtler die Frage, ob die Segnung tatsächlich gegen das Kirchenrecht verstossen habe, und ob die verlangte Demission rechtens sei.

Eine wichtige Figur in diesem Prozedere wäre eigentlich Martin Kopp, Generalvikar für die Urschweiz und damit direkter Vorgesetzter von Bucheli. Kopp war jedoch laut eigenen Aussagen in diesen Entscheid «in keiner Weise einbezogen worden», wie er gegenüber kath.ch sagt. Er bedauert, dass die Segnung stattgefunden hat, weil sie zu Missverständnissen Anlass gibt, hofft aber dennoch, dass Bucheli in Bürglen wird bleiben können. Als Kenner der Urner ist er ausserdem zuversichtlich: «Wenn man mit Urnern auf Konfrontationskurs geht, hat man keine Chance», sagte Kopp gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF.

Bucheli: «Nicht diskret genug»

Eine Woche nach dem Wirbelsturm nimmt Wendelin Bucheli selber erstmals öffentlich Stellung. Nach der Sonntagsmesse am 15. Februar gibt er zu, dass er die Segnung des lesbischen Paares «nicht diskret genug» vorgenommen habe. Er bittet jene Menschen, die dadurch verletzt wurden, um Verzeihung. Dass der Pfarrer die Segnung als solche bedaure, geht aus der Stellungnahme nicht hervor. Bucheli verspricht zudem, dass er sich im Gespräch mit Huonder für eine Wiederherstellung des Vertrauens einsetzen wolle. Oberstes Ziel sei die Versöhnung. Dem Pfarrer ist es wichtig, dass wieder «Ruhe und Frieden» in der Pfarrei einzieht.

Auch innerhalb der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) wird der «Fall Bürglen» diskutiert: Weihbischof Marian Eleganti fordert alle seine «Mitbrüder auf, geschlossen und sofort Stellung zu beziehen, um die Angelegenheit, die so viele Gemüter erhitzt hat, gemeinsam zu klären.» Er hofft, dass das Thema an der nächsten Vollversammlung der Bischöfe anfangs März diskutiert werden wird.

Kommunikationsproblem zwischen Huonder und Bucheli

Aufgrund der vielfältigen Berichterstattung sieht sich Chur Ende Februar genötigt, ein «Fact sheet» an die Medien zu verschicken, in welchem der Ablauf der Geschehnisse aus Sicht von Bischof Vitus Huonder geschildert wird. Diesem zufolge soll Wendelin Bucheli im Gespräch unter vier Augen, das am 2. Februar stattgefunden habe, gesagt haben, «er sehe ein, dass er den Bischof in eine schwierige Lage gebracht habe und nicht in Bürglen bleiben könne. Er sagte, er werde sich der Entscheidung des Bischofs fügen», so das Fact sheet aus Chur im Wortlaut.

Aus Bürglen kommt postwendend das Dementi: Diese Aussage decke sich zwar mit dem Brief, den der Bischof am 4. Februar nach dem Gespräch an Bucheli geschrieben hatte. Bucheli habe dieses Schreiben jedoch umgehend zurückgewiesen, «weil es nicht seinen Aussagen im Gespräch mit dem Bischof entspreche», schreibt der Kirchenrat Bürglen. Bucheli habe stattdessen um ein weiteres Gespräch ersucht, das bis heute ausstehe. Für Chur ist der nächste Schritt jedoch ein Gespräch zwischen Bucheli und Morerod. Für dieses werde derzeit nach einem Termin gesucht, bestätigt das Bistum Lausanne-Freiburg-Genf.

Zur gleichen Zeit sagt die Rechtskommission des Nationalrats am 19. Februar ein erstes Ja zu einer Ehe für Homosexuelle. Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts, zur Home-Ehe: «Die Seelsorge wird sich anpassen, die kirchliche Lehre kaum».  (sys)

 

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