Kardinal Marx redet Klartext: Wir müssen für Wiederverheiratete Wege zur Eucharistie suchen

Washington, 23.1.2015 (kath.ch) Die Reform der katholischen Kirche muss nach Meinung von Kardinal Reinhard Marx von oben und nicht von unten kommen. Das stärkste Hindernis sei ein fehlender Mentalitätswandel in Teilen der Kirchenleitung, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in einem Interview des US-Jesuiten-Magazins «America». Auch Treppen würden von der obersten Stufe her gereinigt. Im Hinblick auf die Familiensynode brach Marx die Lanze für einen neuen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, nicht getrauten Paaren und Homosexuellen.

Die Schlüsselfrage für Personalentscheidungen, so Marx, müsse künftig lauten: «Wer hat die Fähigkeiten, diese oder jene Idee nach vorne zu bringen?» Aus dem Pool so vieler begabter Menschen dürfe man nicht nur Geistliche auswählen und sagen: «Wer kein Kleriker ist, kann den Job nicht machen, oder seine Ideen können nicht so wichtig sein.» Dies schließe auch die vatikanische Verwaltung ein.

Besonders sprach sich der Erzbischof von München und Freising für eine bevorzugte Berücksichtigung von Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen aus.

Wiederverheiratete Geschiedene leben nicht einfach «in Sünde»

In der Diskussion um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene forderte der DBK-Vorsitzende eine aktive Suche seitens der Bischöfe. «Wir müssen nach Wegen suchen, wie Menschen die Eucharistie empfangen können, nicht wie wir sie davon fernhalten können». Es dürfe nicht allein darum gehen, die Wahrheit zu verteidigen, sondern «den Menschen zu helfen, die Wahrheit zu finden».

Mit Blick auf die Weltbischofssynoden zum Thema Familie im vergangenen und im kommenden Oktober im Vatikan forderte Marx eine echte Konsenssuche zwischen den Teilnehmern. Eine Einteilung in theologische «Gewinner oder Verlierer» entspreche nicht dem Geist der Synode, ebenso wenig eine Forderung nach «alles oder nichts». Es gebe noch eine Menge zu besprechen und zu tun. Er sei erstaunt, wenn er Stimmen höre, dass zu diesem Thema bereits «alles gesagt» sei, so der Kardinal.

Marx distanzierte sich von pauschalen Urteilen, wiederverheiratete Geschiedene lebten «in Sünde». Es gebe auch andere Synodenteilnehmer, die sagten: «Es ist nicht möglich, permanent und jeden Tag in Sünde zu leben.»

Homosexuelle nicht verengt bewerten

In der kirchlichen Diskussion um homosexuelle Beziehungen warnte der Kardinal vor einer verengten Bewertung: «Man kann eine Person nicht nur von einer einzigen Perspektive aus betrachten, seiner sexuellen Ausrichtung». Eine differenzierte Betrachtung sei für die katholische Sexualethik entscheidend.

Natürlich habe eine homosexuelle Beziehung für die Kirche nicht denselben Stellenwert wie eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Nachkommenschaft abziele, betonte Marx. «Aber wenn sie im Glauben leben, wenn sie sich für die Armen einsetzen, wenn sie arbeiten, dann ist es unmöglich zu sagen: Alles was du tust, ist negativ, weil du homosexuell bist.» Lebenslange Treue etwa habe für die Kirche einen sehr hohen Stellenwert.

Auch nicht getrauten Paaren zur Erfüllung helfen

Dasselbe gilt nach Worten von Marx für Personen, die zusammenleben, aber nicht oder lediglich standesamtlich getraut sind. Es sei Aufgabe der Kirche, Paaren zu helfen, in der sakramentalen Ehe eine Erfüllung zu sehen und zu finden. Diese Meinung hätten viele Teilnehmer der Weltbischofssynode vertreten.

Marx macht Papst Franziskus für einen weltweit spürbaren Rückenwind verantwortlich. «Das ganze Pontifikat hat neue Wege geöffnet», sagte er in dem Interview. In den USA etwa spreche jeder über Franziskus, auch Nichtkatholiken.

Ein Rabbiner habe ihn gebeten, so der Kardinal, «dem Papst auszurichten, dass er uns hilft. Er stärkt die Religion insgesamt, nicht nur die katholische Kirche.» Dies sei eine «neue Bewegung», sagte der DBK-Vorsitzende, der auch Mitglied im Kardinalsrat des Papstes zur Kurienreform (»K9») ist. Er äußerte sich im Rahmen einer Vortragsreise durch die USA. (kna)

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