Sex-Flaute in Schweizer Betten: Wer kümmert sich in der Kirche darum?

Zürich, 20.1.15 (kath.ch) Wenn der SonntagsBlick über die Sex-Flaute in Schweizer Betten schreibt, dann gibt der Präsident der Schweizerischen Evangelischen Allianz bereitwillig Tipps für ein erfülltes Sexualleben. kath.ch wollte wissen, an wen sich Katholikinnen und Katholiken wenden können, wenn sie Fragen zur Sexualität haben. Eine schwierige Suche. Immerhin: eine ökumenische, von den Kirchen gemeinsam getragene Anlaufstelle ist «seelsorge.net». Und die Jubla verweist auf die Telefonberatung 147.

Georges Scherrer

Nach Ansicht des Präsidenten der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) führt die «Pornoflut» von heute dazu, dass vermehrt lange zusammen lebende Paare Mühe haben, «ihre Sexualität zu leben». Der Chefredaktor des Zürcher Pfarrblatts «Forum», Thomas Binotto, schreibt in einer Kolumne, ein «unbefriedigtes Liebesleben» sei in den Beratungskolumnen ein Dauerthema. Ein Problem scheint gegeben. Wenden sich Hilfesuchende auch an kirchliche Stellen?

Junge reden mit Kollegen über Sex

In Jungwacht Blauring (Jubla) arbeiten viele junge Erwachsene ehrenamtlich als Gruppenleitende. Diese besprechen solche Themen oft unter Kollegen innerhalb des Leitungsteams. Die Jubla hat keine Stelle, die sich solcher Sorgen annimmt, erklärt Roman Oester, Kommunikationsverantwortlicher beim nationalen Verband Jungwacht Blauring Schweiz. Jedoch stellen Präsides wichtige Bezugspersonen dar, wenn es um allgemeine Fragen rund um das Leben geht. Im Weiteren verweist die Jubla an Beratungsstellen wie die Telefonberatung 147 von Pro Juventute oder solcher auf kantonaler Ebene.

Hilfesuchende, die sich an die Kirche wenden möchten, können dies bei den Fachstellen «Ehe- Familien- und Lebensfragen» tun. In der Deutschschweiz gibt es verschiedene derartige Angebote. Der Hilfesuchende ist aber oft mit den sehr speziellen Öffnungszeiten dieser Stellen konfrontiert. Notfalls kann er sein Begehren auf einem Telefonbeantworter deponieren.

SMS-Seelsorge für betrogene Partner

Eine Stelle, die leicht erreichbar ist, ist die «Internet- und SMS-Seelsorge». Dieses Schweizer Seelsorgenetz «seelsorge.net» wird ökumenisch getragen. Jörg Weisshaupt kümmert sich dort um die SMS-Eingänge. Auf der Tastatur hat er die Buchstaben SOS gewählt. Das ergibt die Nummer 767. «Meistens sind es Menschen, die von ihrem Partner betrogen werden. Es gibt aber auch Anfragen, wie man sich von der Pornosucht lösen könne», sagte Weisshaupt auf Anfrage. Bei Missbrauchsfällen leitet er die Anfragen an die Fachstelle Castagna in Zürich weiter.

Der Geschäftsführer von «seelsorge.net», Armin Elser, schrieb auf Anfrage, «dass wir vereinzelt (aber wirklich sehr vereinzelt) eine Steigerung der Anfragen mit sexuellem Inhalt feststellen. Aber nicht unbedingt mit der Thematik der Pornosucht.»

Hemmschwelle kirchliche Lehre

Ist die Kirche die geeignete Ansprechstelle für Personen, die in diesem Zusammenhang Hilfe suchen? Eine Antwort finden wir in Österreich: Man muss zwischen dem öffentlichem Lehramt, das als sehr normativ wahrgenommen wird, und den ganz konkreten Angeboten, welche die katholische Kirche etwa in Form von Fach- oder Beratungsstellen bereitstellt, unterscheiden, sagt die österreichische römisch-katholische Theologin Theresia Heimerl. Sie ist Hochschullehrerin für Katholische Theologie und Religionswissenschaften an der Universität Graz und befasst sich mit dem Thema Kirche und Sexualität.

Kirchen-Blockade bei Ü40 wegen Pillen-Enzyklika

Heimerl geht davon aus, dass bei den über 40-Jährigen eine Blockade wegen der kirchlichen Lehre den Zugang zu solchen kirchliche Stellen behindert. Diese Altersgruppe erinnert sich an die Pillen-Enzyklika «Humanae vitae» über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens und leitet daraus die Botschaft ab: «Die Kirche verbietet mir alles». Diese Generation empfinde die Kirche als «normierend».

Die heute 15- bis 30-Jährigen würden solche «normierende Diskurse» gar nicht kennen und darum unbeschwerter gegenüber kirchlichen Mitarbeitern auftreten, welche sich der Lebenswelt junger Erwachsener im Gespräch stellen. In Österreich besuchen Mitarbeiter solch kirchlicher Fachstellen direkt die Schulen. Es komme dabei zu interessanten Gesprächen.

Abstand zur «normativen Verbotsethik»

Diese Kontakte würde aber weniger als kirchlicher Einsatz wahrgenommen. Bei diesen Begegnungen würden viele kirchliche Mitarbeiter allerdings die kirchliche Lehre nicht mehr «eins zu eins» als «normative Verbotsethik» vertreten. «Sie versuchen vielmehr grundlegende Fragen von Respekt und so weiter» anzusprechen. Solche Begegnungen seien praxisbezogen. Die Jugend werde nicht von der Kanzel herab «belehrt».

Schwierig sei die Situation hingegen bei den pastoralen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, welche in Pfarreien und an höheren Schulen wirken. Dort könne «es passieren, dass die Personen von ihren Vorgesetzten zur Ordnung gerufen werden, wenn sie sich zu sehr von der offiziellen Sex-Doktrin entfernen», bemerkt die österreichische Theologin. (gs)

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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