«Dieses Haus ist ein Glücksfall»

Das Haus der Religionen in Bern ist eröffnet

14.12.14 (Kipa) Das Haus der Religionen am Berner Europaplatz ist eingeweiht. Aus einer Vision ist mit Ausdauer, Energie und Überzeugung ein Gebäude aus Stahl, Beton und Glas entstanden, das die lebendige Arbeit im bisherigen Provisorium fortsetzen soll. Nun muss sich zeigen, ob die acht Religionsgemeinschaften nicht nur den Dialog führen, sondern auch unter einem Dach zusammenleben können.

«Dieses Haus ist ein Glücksfall». Mit diesen Worten begann SRG-Generaldirektor Roger de Weck seine Rede zur Eröffnung des Hauses der Religionen. «Dabei handelt es sich nicht um Zufall, sondern um einen Willensakt.» Die heutige Eröffnung des Hauses der Religionen am Berner Europaplatz lockte Tausende von Menschen zur Besichtigung der nun fertiggestellten Religionshäuser und Räume für interreligiösen Austausch.

Fernsehkameras aus dem In- und Ausland

Rund 4.000 Menschen wohnten der Einweihung bei, darunter zahlreiche Prominenz aus den Religionsgemeinschaften, Politik, Kultur und Wirtschaft. Rund ein Dutzend Fernsehkameras aus dem In- und Ausland verfolgten den Auftakt dieses weltweit einzigartigen Projekts, in dem acht Glaubensgemeinschaften ein gemeinsames Dach geschaffen haben, um untereinander und mit der Öffentlichkeit zu diskutieren, zu debattieren, zu streiten und die Sicht des anderen zu respektieren.

De Weck bezeichnete die Beteiligten am Aufbau «Bauherren und Baufrauen des Friedens» und das Haus der Religionen als «Zeichen gegen die Verrohung und für Respekt, Menschenwürde und Menschenrechte». «Meine Dankbarkeit ist grenzenlos», sagte Guido Albisetti, der mit der zuständigen Stiftung für die Finanzierung des Hausbaus zuständig war. «Wer baut, setzt ein Zeichen, wer baut, denkt an die Zukunft, wer baut, braucht Geld.»

Spenden flossen grosszügig

Nun steht das Haus, dank Unterstützung von grosszügigen Spendern, der Ursula und Rudolf-Stiftung, der öffentlichen Hand – und den Kirchen. Die katholische Kirche von Bern und Umgebung hat analog zu den Protestanten ein zinsloses Darlehen von einer Millionen Franken gewährt.

Die treibende Kraft hinter dem Projekt

Nach liturgischen Segenssprüchen von Christen, Muslimen, Juden, Hindus, Buddhisten, Aleviten, Baha’i und Sikhs kam unter langem Applaus Hartmut Haas auf die Bühne, die treibende Kraft hinter dem Projekt. Er hatte bis letztes Jahr die Fäden in der Hand, um mit den Religionsgemeinschaften und anderen Beteiligten Kontakte zu knüpfen und beharrlich den Weg zur Realisierung dieser Vision zu gehen. Auch wenn Haas auf Anfrage bescheiden betont, es hätte viele Menschen zum Gelingen beigetragen, lässt sich doch rückblickend feststellen, dass er wie auch Vereinspräsidentin Gerda Hauck und Stiftungsratspräsident Guido Albisetti Schlüsselpersonen für das Gelingen waren und sind.

Auf der Bühne präsentierte Haas das Dokument von 2008, mit dem die acht beteiligten Gemeinschaften verbindlich ihre Teilnahme am Haus der Religionen kundtaten. Als Schlussakt wurde diese Urkunde unter einer Glasplatte in den Boden eingelegt.

Das Zusammenleben wird bald erprobt

«Mit der Fertigstellung des Baus am Europaplatz haben wir eine neue Stufe erreicht», sagte Gerda Hauck, Präsidentin des «Vereins Haus der Religionen – Dialog der Kulturen», gegenüber der Kipa mit Genugtuung. Analog zu Freunden, die sich zu einer Wohngemeinschaft zusammenschliessen, wird sich auch am Europaplatz zeigen müssen, wie gut die Gemeinschaften gemeinsam unter einen Dach harmonieren. Eine Hausordnung in Form von Statuten besteht, doch es muss sich erst zeigen, wie sie sich bewährt. Hauck teilt die Befürchtung aber nicht, dass der Pioniergeist nun verloren geht. In zehn Jahren komme eine andere Generation mit anderen Bedürfnissen, sagt sie. «Die Menschen werden immer Kultusräume benötigen.»

Politiker sprechen von «Leuchtturm» und «Lichtblick»

Für den Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus ist das neue Haus am Europaplatz ein «Leuchtturm», der Orientierung gebe und einen Kontrapunkt setze in Zeiten der zunehmenden Radikalisierung von Religionen in vielen Teilen der Erde. Unter die Leute gemischt hatte sich auch die katholische Theologin Irene Neubauer, die einerseits für die Fachstelle «Kirche im Dialog» arbeitet, hauptamtlich aber Mitglied des Leitungsteams der «Offenen Kirche» (OK) in Bern ist. Die OK besteht aus Vertretern der katholischen, reformierten, christkatholischen und jüdischen Institutionen und engagiert sich mit interkulturellen Programmen in der Heiliggeistkirche mitten im Stadtzentrum. Das Haus der Religionen betrachtet sie nicht als Konkurrenz. «Wir ziehen am gleichen Strick und ergänzen uns», unterstreicht sie. Vielmehr hat sich ein regelmässiger Kontakt zwischen den beiden Vereinen etabliert.

Für Berns Stadtregierung sorgt das Haus der Religionen für eine Belebung des früheren «Unortes» Europaplatz und bedeutet für Stadtpräsident Alexander Tschäppät eine die städtebauliche Aufwertung des Platzes. Er dankte dem Haus der Religionen und dessen Vision. Es bilde einen «Lichtblick» für Bern, die sich als tolerante Stadt versteht, und einen Lichtblick in einer Zeit, wo Religionen als Vorwand für Krieg, Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit missbraucht werden. Und so wird ein früherer Unort in Bern dank dem Haus der Religionen zu einem Ort mit weltweiter Ausstrahlung. Ein Glücksfall. (kipa/rp)

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