Kirchenrechtler: Kirche soll Wiederverheiratungen ermöglichen

Wien, 5.8.11 (Kipa) Die katholische Kirche soll – nach Prüfung jedes einzelnen Falles – die kirchliche Wiederverheiratung ermöglichen. Dafür hat sich der Wiener Kirchenrechtler Bruno Primetshofer ausgesprochen. In einem Gastkommentar in der Tageszeitung «Die Presse» (Freitag-Ausgabe) betont Primetshofer, dass die Unauflöslichkeit der Ehe kein kirchliches Dogma sei. Er verweist auf die Praxis in der orthodoxen Kirche.

Die Seelsorge in der katholischen Kirche sehe sich mehr und mehr mit dem Problem der wiederverheirateten Geschiedenen konfrontiert, so Primetshofer. Auch nach erfolgter staatlicher Scheidung bleibe dem lateinischen Kirchenrecht zufolge das Band der Erst-Ehe aufrecht und stelle ein sogenanntes trennendes Ehehindernis dar.

Wiederverheiratete Geschiedene seien an sich vom Empfang der Sakramente der Busse und der Eucharistie ausgeschlossen. Dies bedeute zwar keine Exkommunikation als Strafe, stelle aber dennoch eine «spürbare Belastung in Bezug auf die Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche» dar.

Primetshofer: Unauflöslichkeit der Ehe ist kein unabänderliches Dogma

In den letzten Jahrzehnten habe man zwar in der Praxis Wege gefunden, «diese Blockade insofern zu mildern, als in Einzelfällen den wiederverheirateten Geschiedenen nach einem Gespräch mit dem Seelsorger eine Zulassung zu den Sakramenten gewährt wird». Dieser Weg könne freilich die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, dass die Zweitehe kirchlich nicht anerkannt wird.

Primetshofer zum dogmatischen Stellenwert der Unauflöslichkeit der Ehe: «Liegt hier ein Glaubenssatz vor, der selbst der Kirche unabänderlich vorgegeben ist, sodass sie davon nicht abgehen kann, oder aber besteht kein derartiger Rang?» Die bisweilen vertretene Meinung, die Unauflöslichkeit der Ehe sei dogmatisch definiert, sei unzutreffend, so der Kirchenrechtler. Zwar stimmten das Kirchenrecht für die lateinische und die katholischen Ostkirchen in der Aussage überein, dass die vollzogene Christenehe nur durch den Tod eines Gatten gelöst werden könne, dennoch gebe es in der katholischen Kirche keine Fixierung der Unauflöslichkeit der Ehe als unabänderliches Dogma. So seien etwa auch päpstliche Enzykliken oder sonstige Verlautbarungen des Papstes oder der Römischen Kurie nicht als Dogmen anzusehen.

Katholische Ostkirchen behielten andere Regelung

Der Wiener Kirchenrechtler verweist auf die orthodoxen Kirchen. Diese würden nach einer gewissen Busszeit den Abschluss einer kirchlichen Zweitehe gestatten – wenn es auch bei der Trauungsliturgie bestimmte Einschränkungen gibt. Diese Praxis sei nun auch von den mehr als zwanzig katholisch gewordenen Ostkirchen beibehalten worden, ohne dass vonseiten der päpstlichen Gesetzgebung oder Verwaltung ein Einspruch erhoben worden sei.

Das bedeute nun, so Primetshofer, «dass es im Rahmen der einen katholischen Kirche in einer bedeutsamen Frage zwei verschiedene Positionen gibt». Die römisch-katholische Kirche schliesse bei Geschiedenen eine kirchliche Zweitehe grundsätzlich aus, die katholischen Ostkirchen würde eine solche gestatten. Diese Ungleichheit sei durchaus zu hinterfragen. Primetshofer: «Es stünde der lateinischen Kirche frei, auch in ihrem Bereich die orientalische Praxis zu gestatten oder jedenfalls zu dulden.»

Das würde bedeuten, dass es Geschiedenen nach Prüfung jedes einzelnen Falles ermöglicht wird, eine kirchliche Zweitehe einzugehen. Damit würde den Betroffenen die volle sakramentale Gemeinschaft gewährt und die bereits staatlich geschiedene Erst-Ehe wäre kirchlich gelöst.

(kipa/kap/pem)

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