15 Mönche machten sich sexueller Übergriffe schuldig

Sexuelle Übergriffe im Kloster Einsiedeln: Schlussbericht der Untersuchungskommission

Einsiedeln, 27.1.11 (Kipa) 15 Mönche des Klosters Einsiedeln haben in den vergangenen 65 Jahren sexuelle Übergriffe begangen. Acht von ihnen sind verstorben. Neun vergriffen sich an Minderjährigen. Diese Zahlen eruierte die unabhängige externe Untersuchungskommission, die im Auftrag des Einsiedler Abtes Martin Werlen den sexuellen Missbrauch durch Klosterangehörige aufarbeitete. Es wurden vierzig Opfer bekannt. Seit 1998 sind keine neuen Fälle vorgekommen. 1998 erliess das Kloster Richtlinien zum sexuellen Missbrauch.

Im Frühjahr hatte Abt Martin Werlen eine unabhängige externe Untersuchungskommission eingesetzt. Damit hatte er auf Vorwürfe des Schweizer Fernsehens reagiert, es sei in der Stiftsschule Einsiedeln zu sexuellen Übergriffen gekommen.

Der Kommission gehören die Anwälte Judith Wild-Haas aus Zug und Richard Kälin aus Freienbach SZ an. Geleitet wird sie vom ehemaligen Zürcher Sonderstaatsanwalt Pius Schmid. Diese Personen hatten bis vor ihrem Einzug in die Kommission keine Verbindungen zum Kloster, präzisierte Abt Werlen anlässlich der Pressekonferenz vom Donnerstag, 27. Januar, an der die Kommission die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Öffentlichkeit präsentierte.

Aufwändige Recherche

Die Kommission untersuchte einen Zeitraum von 65 Jahren. An alle ehemaligen und aktuellen Schüler und Schülerinnen der Stiftsschule Einsiedeln erging der Aufruf, sexuelle Übergriffe durch Mönche zu melden. In den vom Kloster betreuten 19 Pfarreien wurde über Inserate die Bevölkerung über die Suche nach Opfern informiert. Gesucht wurde auch in Einrichtungen und Schulen, in welchen Mönche aus Einsiedeln tätig waren, etwa im Collegio Papio in Ascona TI.

Die Kommission durchkämmte ferner Personalakten von Beschuldigten und Protokolle des Klosters nach Berichten über sexuellen Missbrauch. Nicht zuletzt wurde die Klostergemeinschaft aufgefordert, ihr bekannte Fälle zu melden. Schmid machte an der Pressekonferenz keinen Unterschied zwischen den Begriffen «sexueller Übergriff» und «sexueller Missbrauch». Strafrechtlich bestehe kein Unterschied.

Mehrere Fälle in den 60er und 70er Jahren

Sechs Opfer erstatteten vor der Arbeitsaufnahme durch die Kommission Anzeige, erklärte Kommissions-Leiter Pius Schmid vor den Medien. Vier Verfahren wurden eingestellt. Es kam zu zwei Verurteilungen. Zu mehreren Übergriffen kam es in den 60er und 70er Jahren. Damals machten sich drei Mönche des sexuellen Missbrauchs schuldig. Sie berührten Schüler über den Kleidern an Geschlechtsteil und Gesäss. Der damalige Abt versetzte zwei der Mönche, nachdem ihre Verfehlungen ruchbar geworden waren. Der Fall des dritten Mönchs wurde erst durch die Kommission aufgedeckt.

1948 gab es einen Übergriff eines Mönchs auf einen Schüler; der Täter wurde sofort versetzt. 1960 wurde ein Mädchen Opfer eines sexuellen Übergriffs. 1950 vergriff sich ein Mönch in seiner Zelle an einem 14-jährigen Angestellten des Klosters, der dort die Post verteilte. Die Identität dieses Ordensmannes konnte 60 Jahre später durch die Kommission nicht mehr eruiert werden. 1954 kam es im Collegio Papio zur einer Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen. 1960 «produzierte sich» ein Mönch sexuell vor zwei minderjährigen Schülerinnen. 1994 hatte sich ein Mönch in Einsiedeln mit einem volljährigen Schüler, das heisst älter als 16 Jahre, so Schmid, sexuell eingelassen. Ein Übergriff geschah im argentinischen Los Toldos, wo die Abtei Einsiedeln 1948 ein Kloster gegründet hatte; in diesem Fall kam es nicht zu einer Anzeige.

Der letzte Übergriff fand 1998 statt. Damals betatschte ein geistig behinderter Mönch ein Mädchen. Dieser ist heute in Behandlung. Zwei Priester vergriffen sich zudem an erwachsenen Frauen, die sie seelsorgerlich betreuten.

Gesamthaft untersuchte die Kommission 24 Fälle, in die zuweilen mehrere Opfer involviert waren. 15 Fälle waren strafrechtlich relevant, weil der Übergriff an Minderjährigen geschah. Alle Fälle sind heute verjährt, erklärte Pius Schmid vor den Medien.

Äbte entlastet

Die Kommission attestierte den Äbten, dass sie nach Bekanntwerden der Fälle sofort reagierten. Die fehlbaren Ordensmänner wurden entweder versetzt oder aus dem Kloster entlassen. Das Kloster habe aber nie von sich aus Anzeige gegen Fehlbare erstattet. Die Kommission rät nun dem Kloster, bei Fällen von sexuellen Übergriffen Anzeige zu erstatten und Ordensangehörige, die in der externen Seelsorge tätig sind, gut auf die Gefahren von sexuellen Übergriffen vorzubereiten.

1998 erliess das Kloster Richtlinien zum Vorgehen bei sexuellen Übergriffen und richtete eine Anlaufstelle für Beratung und Hilfe ein. Später folgte zudem eine weitere Beratungsstelle speziell für die Schüler. Seit 1998 sei es im Kloster zu keinen neuen sexuellen Übergriffen gekommen, erklärte Schmid.

40 Opfer sind bekannt. Schmid geht aber davon aus, dass es möglicherweise weitere gibt, die sich nicht gemeldet haben. Die Richtlinien aus dem Jahr 1998 werden nun überarbeitet.

Einsatz der Kommission hat sich gelohnt

Abt Martin Werlen betonte vor den Medien, die aus der ganzen Schweiz angereist waren, die Einsetzung der unabhängigen externen Untersuchungskommission habe sich gelohnt. Er entschuldigte sich bei den Opfern und bat sie um Verzeihung.

Die Aufarbeitung sei eine schmerzhafte Erfahrung gewesen. Die ganze Klostergemeinschaft sei gemeinsam diesen Weg gegangen, der auch ein Weg der Sensibilisierung gewesen sei. Heute herrsche im Kloster eine «neue Kultur des Umgangs mit Verfehlungen».

Kontakt mit den Opfern

Ihn habe tief beeindruckt, mit welcher Wertschätzung die Opfer ihm als Abt von Einsiedeln begegnet seien, als sie mit ihm ins Gespräch kamen, sagte Werlen. Er dankte auch ausführlich den Medien, die mit ihren Berichten das Kloster auf diesen Weg der Klärung brachten. Werlen hofft, dass diese Läuterung auch Einfluss auf die Gesellschaft haben werde und diese sich ebenfalls dieses Problems annimmt. Andere Klöster könnten sich am Vorgehen des Klosters Einsiedeln zur Klärung der Übergriffe ein Beispiel nehmen.

Die Anzahl der Fälle habe ihn erschreckt, sagte Werlen auf die Frage eines Journalisten und ergänzte: «Vielmehr hat mich aber das Nicht-Wissen als das Wissen beunruhigt.» Es sei wichtig, dass die Klostergemeinschaft ihre Verantwortung wahrgenommen habe, um so ihrer Berufung gerecht zu werden. Es sei auch wichtig gewesen, dass sich das Kloster mit den Vorwürfen über neutrale Experten auseinandersetzte, um so die Glaubwürdigkeit zu bewahren.

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(kipa/gs/bal)

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