Schweizer Freidenker wollen Gipfelkreuze verbieten

Zürich/Luzern, 24.10.10 (Kipa) Geht es nach dem Willen der Freidenker-Vereinigung Schweiz, sollen künftig keine neuen Gipfelkreuze mehr erstellt werden dürfen. Dies sagte Geschäftsführerin Reta Caspar gegenüber der «Zentralschweiz am Sonntag». Im Fall des Kruzifix-Streites in Triengen LU wird ein Luzerner Anwalt namens der Freidenker Anzeige gegen unbekannt wegen Drohungen einreichen.

Der Deutsche David Schlesinger, der in Triengen mit Verweis auf die religiöse Neutralität der Schule gefordert hatte, dass Kruzifixe und Kreuze in den Schulzimmern seiner beiden schulpflichtigen Kinder abgehängt müssten, hat die Schweiz verlassen und ist nach Deutschland zurückgekehrt. Er und seine Familie seien von Anonymen massiv bedroht worden, berichteten verschiedene Medien am Samstag und Sonntag.

In Mails und in teilweise drastischen Briefen habe man Schlesinger damit gedroht, seine «Hütte abzufackeln» oder mit der «Kalaschnikow» vorbeizukommen, meldete die «Sonntagszeitung» (Zürich). Deshalb wolle die Freidenker-Vereinigung am Montag einen Luzerner Anwalt damit beauftragen, bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt wegen Drohungen gegen ihr Mitglied David Schlesinger einzureichen.

Unterstützung von Freidenker-Seite gibt es auch für den Walliser Volksschullehrer und Freidenker Valentin Abgottspon, dem fristlos gekündigt worden war, weil er sich geweigert hatte, ein Kruzifix in seinem Schulzimmer in Stalden VS aufzuhängen. Die Vereinigung will die ungedeckten Gerichtskosten für ihr Mitglied übernehmen.

Keine Kreuze in Spitalzimmer und auf Berggipfeln

Nach Ansicht der Freidenker-Vereinigung haben religiöse Symbole nicht nur in Schulzimmern, sondern generell in öffentlichen Institutionen nichts zu suchen. Überall dort, wo sich der Staat repräsentiere, müssten religiöse Zeichen entfernt werden, sagte Geschäftsführerin Reta Caspar gegenüber der «Zentralschweiz am Sonntag» (Luzern). Deshalb fordern die Freidenker die Entfernung von Kreuzen auch aus Spitalzimmern oder von den Berggipfeln. Im Rahmen der Baubewilligungsverfahren, die es für die Erstellung von neuen Gipfelkreuzen braucht, werde man jeweils Einspruch erheben, kündigte Caspar an. Das werde auch beim Ersatz von bereits bestehenden Kreuzen der Fall sein.

Ehemaliger Bundesrichter spricht sich für «Toleranzregelung» aus

Die Freidenker berufen sich bei ihrem Kampf gegen die Kreuze auf einen Entscheid des schweizerischen Bundesgerichtes aus dem Jahre 1990. Damals kam das höchste Schweizer Gericht im Fall der Tessiner Gemeinde Cadro zum Schluss, dass Kruzifixe in öffentlichen Schulen die Religionsneutralität verletzen. Der ehemalige Bundesrichter Giusep Nay – der nach eigenen Angaben bei diesem Urteil nicht dabei war – vermutet im Interview mit der «Zentralschweiz am Sonntag», dass das Gericht heute nicht unbedingt gleich entscheiden würde. Denn in den letzten zwanzig Jahren habe sich viel verändert. Seines Erachtens wäre eine «Toleranzregelung» heute viel wichtiger als ein Verbot.

Unsere Gesellschaft entwickle sich immer mehr zu einer multireligiösen, in der auch andere Religionen präsenter seien. Deshalb könne man die ganze Frage des Umgangs mit religiösen Symbolen nur mit Toleranz lösen, betonte Nay, der von 2004 bis 2006 das Bundesgericht präsidierte. Wörtlich sagte er weiter: «Ich bin schon der Meinung, dass auch religiöse Zeichen einer Mehrheit einer Gesellschaft Platz haben müssen und von Angehörigen anderer Religionen oder Nichtgläubigen akzeptiert werden müssen.»

Kantone könnten Initiative ergreifen

Nach Ansicht des ehemaligen Bundesrichters könnten in dieser Frage die Kantone das Heft selber in die Hand nehmen: «Kantone könnten festlegen, dass wir in einer multireligiösen Gesellschaft leben und deshalb allen religiösen Symbolen gegenüber tolerant sind.»

Giusep Nay ist nicht darüber erstaunt, dass die Freidenker nun sogar daran gehen, Gipfelkreuze zu verbieten: «Wenn wir Minarette nicht ertragen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn Nichtgläubige sich gegen Kreuze oder Kirchenglockengeläut zur Wehr setzen.» – Die Schweizer Stimmberechtigten haben im November 2009 den Bau von Minaretten verboten.

Die Freidenker-Vereinigung Schweiz hat derzeit nach eigenen Angaben 1.700 Mitglieder. Letztes Jahr hat sie in verschiedenen Schweizer Städten mit einer Plakataktion (»Da ist wahrscheinlich kein Gott – also sorg dich nicht, geniess das Leben») für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Dadurch vermochte sie ihre Mitgliederzahl von 1.200 auf 1.700 zu erhöhen.

(kipa/job)

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