Kirche als Kooperationspartnerin

Bistum Basel: Tagung zum Thema Gemeinwesenarbeit im Sozialraum

Basel, 16.6.10 (Kipa) Wie kann sich die Kirche in einer Gemeinwesenarbeit, der es um die Entwicklung des Sozialraums geht, als Partnerin einbringen – im Quartier, in der Stadt, im ländlichen Raum? Gut 70 Fachleute des Arbeitsbereiches Sozialarbeit und Diakonie setzten sich an der diesjährigen Tagung der Fachorganisation der Pfarreisozialdienste im Bistum Basel am 15. Juni mit der möglichen Rolle der Kirche in der Gemeinwesenarbeit auseinander.

Der Tagungsort Basel mit dem Stadtteil Kleinbasel diente als eindrückliches Beispiel für einen Sozialraum in Bewegung und die darin liegenden Möglichkeiten für kirchliches Handeln. In Kleinbasel wohnen etwa 50.000 Menschen, die Hälfte von ihnen sind ausländischer Herkunft. Eine besondere Herausforderung für die Kirche im Stadtkanton Basel ist der drastische Rückgang von Mitgliedern und, damit verbunden, von finanziellen Mitteln. Dass dies nicht zur Aufhebung von Pfarreien führen muss, zeigte Hermann Wey auf. In St. Joseph, wo er seit vielen Jahren als Seelsorger arbeitet, wurden neue Angebote entwickelt, durch die auch die kirchlichen Räume anders genutzt werden können.

Dabei wurde von den konkreten Bedürfnissen der Menschen ausgegangen und die Suche nach passenden Einrichtungen auf die persönlichen Kontakte nach aussen abgestützt. Gelingen können solche Projekte dann, «wenn Menschen aufeinander zugehen», hat Wey erfahren; und wenn sie vom Seelsorgeteam und weiteren Mitarbeitenden in der Pfarrei unterstützt werden.

Ob die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt werden, ist in Basel auch das entscheidende Kriterium für eine gute Kantons- und Stadtentwicklung, betonte in seinem Grusswort Thomas Kessler, der im Präsidialdepartement des Kantons Leiter der Stadtentwicklung ist. Denn die Gesellschaft müsse weiter – und gut weiter – entwickelt werden. Dabei müssten die vorhandenen Kräfte gebündelt werden, was Kooperation bedeute. So müsse sich bei der Gestaltung des Sozialraums auch die Kirche als Kooperationspartnerin einbringen, betonte Daniel Wiederkehr als Mitglied des Vorbereitungsteams der Tagung in seiner Begrüssung.

«Sozialraumorientierung – Ressourcenorientierung»

Um die eigenen beruflichen Erfahrungen mit einer Aussensicht ins Gespräch bringen zu können, war Patrick Oehler von der Hochschule für Soziale Arbeit eingeladen worden, die Themen Sozialraum und Kooperation theoretisch zu vertiefen. Ein geographischer Raum wie ein Quartier oder eine Stadt ist deshalb ein Sozialraum, weil er konstruiert ist und gestaltet werden kann. Die Sozialraumorientierung der Sozialarbeit bedeutet deshalb eine Wiederentdeckung der Gemeinwesenarbeit.

Handlungstheoretisch wandert der Blick vom Einzelfall auf das Gemeinwesen. Während die spezialisierten Hilfsangebote das Ziel der Hilfe im Blick haben, schaut die sozialraumbezogene Gemeinwesenarbeit auf die Ursachen der Hilfsbedürftigkeit. Sie fragt also nach den Lebenslagen der Menschen vor Ort; sie sucht im Sozialraum aber auch Kräfte, die zur Problemlösung beitragen können, sei es als Aktivierung der Selbsthilfe, sei es durch kompetente Menschen und Organisationen. In dieser Ressourcenperspektive geht es wesentlich auch darum, Kooperationspartner und -partnerinnen zu gewinnen.

Kompetenz und Macht

Kooperation als gewollte Zusammenarbeit erhöht zum einen die Lösungskompetenz, weil sie die Ressourcen bündelt. Zum andern wird die Entscheidungskompetenz geteilt, muss Macht abgegeben werden. Kooperation vermittelt Anregungen und gibt Impulse, verändert in diesem Lernprozess aber auch die Beteiligten und trägt so zur Organisationsentwicklung bei. Erleichtert, wenn nicht zuweilen gar ermöglicht wird Kooperation durch Vernetzung. Als Beispiele für Netzwerke nannte Patrick Oehler Arbeitskreise im Quartier, zielgruppen- oder themenspezifische Arbeitsgruppen, vermittelnde Einrichtungen wie runde Tische, anwaltschaftliche Arbeitskreise.

Die Gemeinwesenarbeit der Kirche hat nach Ansicht von Patrick Oehler Tradition, und auch Kooperation sei für die Kirchgemeinde nichts Neues. Neu hingegen ist die bewusste Bezugnahme auf den Sozialraum und Netzwerke sowie Kooperation mit nichtkirchlichen Partnern. Dabei empfehle sich ein pragmatischer Umgang mit Kooperation.

Attraktive Partnerin

Der Referent schloss mit Thesen, die im anschliessenden Austausch in Gruppen mit der eigenen Berufserfahrung konfrontiert wurden: Die Kirche ist eine attraktiver Partnerin im Sozialraum; sie muss nur ihr Potenzial einbringen und ihren Gestaltungswillen kundtun. Weil Kooperationen Freiräume braucht, kann die Sozialarbeit neue Denk- und Handlungsräume eröffnen und die Kirche in Sozialräumen neu positionieren.

Der zweite Teil der Tagung stand ganz im Zeichen erprobter Praxis. In Workshops wurden neun Projekte und Vernetzungspartner im Sozialraum Kleinbasel aufgesucht und kennen gelernt – vom etablierten Stadtteilsekretariat Kleinbasel bis zum Sonntagszimmer, das in der evangelisch-reformierten Matthäuskirche im Aufbau ist. Die evangelisch-reformierten Kirchgemeinden und die römisch-katholischen Pfarreien des Stadtteils sind auch in der Trägerschaft des Stadtteilsekretariats vertreten.

Den auflockernden Abschluss der Tagung steuerte Karmelitenpater Joseph Prasad bei, der Leiter des seit bald drei Jahren in Kleinbasel ansässigen Karmelitenklosters «Prophet Elias». Der Inder leitete die Tagungsteilnehmer zu einer Lektion in Lachyoga an, weil nicht nur das Denken zu seinem Recht kommen dürfe.

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(kipa/rw/ak)

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